gen möchtent fahen; vnd grüssent mir myn vatter sere vnd den wissen ritter, der uch so getruwlich jm
turney geholffen hat1.“
Es zeigt sich so, dass der in den Kanzleien übliche Aufbau der Briefe in Elisabeths Tex¬
ten teilweise übernommen wurde, ohne dass dabei allerdings vereinheitlichend in die Vor¬
lagen eingegriffen wurde. Wenn vorhanden, so diente der formale Aufbau dem Zweck,
die Realitätsnähe und Authentizität des Erzählten zu betonen;1 der in den Varsberg-
Briefen vorhandene elaborierte Kanzleij'til fand jedoch in den Erzählungen (außer in den
für den Huge Scheppel gezeigten Rechtsformeln) kaum Verwendung.
6. Fazit und Ausblick
Elisabeth von Nassau-Saarbrücken spricht als Fürstin — sie spricht in Briefen, die sie dazu
zwingen, sprachlich situadonsadäquat die alltäglichen politischen Geschäfte zu führen,
und sie spricht in ihren Erzählungen, einerseits dadurch, dass sie als deren Übersetzerin in
den Text eingreift, z.B. an Stellen, die ihren Vorstellungen von weiblicher Herrschaft nicht
entsprechen, und andererseits dadurch, dass sie ihre weiblichen Protagonistinnen auf eine
für Fürstinnen angemessene Art und Weise sprechen lässt und ihnen tendenziell größere
Handlungsspielräume zuweist. Die Untersuchung der Redeszenen in den Erzähltexten,
unter Einbezug der realen Briefe der Fürstin, bietet eine wichtige Möglichkeit, den spezifi¬
schen Sprachstil der Erzählwerke Elisabeths zu untersuchen, auf deren Basis die Poetik
des frühneuhochdeutschen Prosaromans besser erfasst werden könnte.
Die Stimme dieser Fürstin wird ohne Zweifel von anderen, lauteren Stimmen überla¬
gert, sie bleibt jedoch dennoch bei genauerer Betrachtung der Texte erkennbar. Elisabeths
politischer Handlungsspielraum mag zeittypisch eingeschränkt gewesen sein, ihre Briefe
zeigen dennoch, dass sie im Rahmen dieses Spielraumes sprachlich angemessen zu han¬
deln wusste.1" Trotz aller Treue zu den Briefformularen weisen Elisabeths Briefe durch¬
aus individuelle Züge auf, sie verwendete stilsicher und situationsadäquat unterschiedliche
Sprachregister. Auch als Übersetzerin und Literatin nahm sich Elisabeth größere Freihei¬
ten, als gelegentlich behauptet wird. Die Gestaltung ihrer Dialoge spiegelt ihre Vorstellun¬
gen von weiblicher Herrschaft wider: Ihre Protagonistinnen agieren (wenn auch verhalten)
anders als diejenigen der Vorlagen. Zum Teil lässt sich Elisabeth für die Gestaltung des
verbalen Verhaltens der Protagonistinnen von der Praxis des Briefeschreibens inspirieren,
insbesondere von den Rechtsformeln, und zeigt somit ihre literarische Kunst vom herr¬
schaftlichen Alltag beeinflusst; das zuletzt besprochene Beispiel zeigt jedoch, dass sie den
in den Briefen gepflegten Kanzleistil und die formalen Briefmuster nicht ausnahmslos und
mechanisch auf die literarischen Werke übertrug.1'1 Eine nähere Untersuchung solcher
99 Von Bloh: „Information“ (wie Am. 28), S. 42f.
100 Elisabeths „Spielräumef.] für politisches Handeln unter den Voraussetzungen weiblicher Regentschaft
|erscheinen] von vornherein eingeschränkt, da Elisabeth als Frau eine persönliche und eigenständige
Konfliktbewältigung mit kriegerischen Mitteln kaum möglich war“ (Herold: „Quellenkundlicher“ [wie
Anm. 30], S. 250). Als weibliche Regentin ist sie auf die Hilfen der Ratgeber angewiesen; ,,[d]aß Elisa¬
beth aber eine gänzlich passive Rolle gespielt hätte, kann man |...| nicht sagen“ (ebd., S. 253).
101 Der Hinweis darauf, der Gebrauch von Briefformeln in literarischen Texten wirke häufig „ermüdend
und gleichförmig“ (Wand-Wittkowski: Briefe [wie Anm. 28], S. 55), trifft somit auf Elisabeths Texte kei¬
269