ner politischen Situationsethik anstelle der starren Normethik des (klassischen4) Artus¬
romans. Hier ist vor allem auf die Rolle der List (als legitimer Bestandteil fürstlicher
prudentia) zu verweisen;
4. die rein politische Dimension der Werbungs- und Liebeshandlung, die jeder höfisch¬
verfeinerten Minneideologie hohnspricht, freizügige Sexualität impliziert und funktional
auf eine mit Nachkommen gesegnete Herrschaftsehe hinausläuft;
5. die um die Nordsee gelagerte Realgeographie und ihre zeitaktuellen Prämissen (Hanse¬
raum!).
2.5. Folgerungen und Ausblicke
Auch wenn damit die politisch-herrschaftsdiskursive Substanz der narratio unter den drei
l Vror-Texten im Hertig Fredrik am facettenreichsten aufscheint, vertritt der Roman doch
nur in markanterer Weise das (wie zu zeigen war) allen dreien eingeschriebene Referenz¬
phänomen. Dabei greifen sie alle, im Ansatz auch Herra Ivan, gerade nicht mehr auf die
fragwürdige Überzeugungskraft überzeitlich-ahistorischer Tugendideale wie etwa den ,gu¬
ten König Artus4 zurück,sondern auf historisch-lebensweltlich applizierbare(re), in ge¬
wisser Weise pragmatisch ,gemischte4 Heldentypen. Das ehedem direkt imitationstaugliche
Vorbild wird darüber zum impliziten Appell, sein Handeln wird kritisch auf außerliterari¬
sche Situationen beziehbar und danach bewertbar. Und genau dies wird auch Eufemias
Kalkül gewesen sein, als sie, emotional und politisch zwischen Gemahl und Wunsch-
Schwiegersohn stehend, mit hypothetisch tatkräftigem Rückhalt in Kanzleikreisen die drei
Teile ihres Auftragswerks auswählte und mit bestimmten Bearbeitungsvorgaben verband:
Häkon, Erik und sein Umfeld sollten Orientierungs- (eben nicht schlicht Imitations-
!)Modelle aus einer literarisch-imaginären, doch von politisch-historischen und topogra¬
phischen Wirklichkeitseffekten durchsetzten ,Vergangenheit4 erhalten, die das Nützliche
des Reflexionsimpulses mit der angenehm-gefälligen Hülle höfischen Zeitvertreibs ver¬
banden. Ob dieser kulturpolitische Impuls mangelnde direkte Einflusschancen zu kom¬
pensieren versuchte, ob er gar zum letztendlichen (und von Eufemia nicht mehr erlebten)
Ausweg aus der verfahrenen Lage beizutragen vermochte, ist bei allem Spekulationspoten¬
tial, das diesen Fragen innewohnt, aufgrund der Quellenlage nicht mehr zu entscheiden.
Eines immerhin scheint klar: Mit dieser kulturpolitischen4 Art des Verfolgs dynasti¬
scher Ziele steht Eufemia unter den Königinnen, Fürstinnen und adligen Damen ihrer
Epoche nicht isoliert da. In die illustre Reihe fürsdicher Dichterinnen und Auftraggeber-
66 In diesem Punkt ist Ivan, der einzige Artusroman der Gruppe, natürlich von besonderer Brisanz. Schon
der Prolog setzt sich hier von Chrétien und Hartmann, der Haupt- und Nebenvorlage also, ab, indem er
nicht deren ahistorisch-passives Artusbild übernimmt, sondern (vermittelt über die norwegische Ivens Sa¬
ga) den Artus der Chronistik und Geschichtsepik: Der im /¿»«-Prolog profilierte Artus ist nicht der auf
Wahrung der costume bedachte primus inter pares einer mythischen Runde, sondern der machtvolle Befreier
Pinglands von rechtlosem Tribut, der Kämpfer wider Rom und der ebenbürtige Genosse Karls des Gro¬
ßen: „Wo Heiden mit Christen kämpften, war keiner herausstechender zu dieser Zeit. Beide Fürsten, von
denen ich spreche, haben so gerecht gehandelt, daß ihr Lob über alle Welt reicht, wo auch immer Herren
und Fürsten Hof halten“ (v. 17-22). Damit ist allemal ein anderer Artustyp erinnert als der, den um
1250/1300 ein deutschsprachiges Publikum im Kopf haben musste!
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