Kurz zusammengefasst: Die alemannischen Leben-|esu-Handschriften weisen, dem ur¬
sprünglichen Text folgend, 50 Kapitel auf, von denen 40 bebildert sind. Die Handschrif¬
ten, alle auf Papier, begegnen ab etwa 1449; es sind sorgfältig redigierte Abschriften ent¬
weder von einer Vorlage aus einem anderen Sprachraum beziehungsweise untereinander.
Die Ausstattung mit Bildern ist unabdingbar, und im Falle des (äkin-Manuskripts aus ln~
zigkofen bringt ihre Schreiberin eine Kollektion von Leben-Jesu-Motiven aus acht ver¬
schiedenen Bilder-Folgen zusammen.
Die beiden moselfränkisch-trierischen Codices haben einen anderen, höheren Ausstat¬
tungsanspruch. Beide sind sie auf Pergament sehr sorgfältig geschrieben, opulent im Lay¬
out und sorgfältig im Miniaturenschmuck. Wenden wir uns zunächst der Handschrift in
Lüttich zu! Die schon zu Beginn zitierte Notiz Baron Witterts und andere Hinweise ma¬
chen eindeutig klar, dass die Auftraggeberin und erste Besitzerin der deutschen Leben-
jesu-Handschrift Elisabeth von Görlitz war, Nichte König Wenzels von Böhmen und
Kaiser Sigismunds von Luxemburg und letzte Erbin der Herrschaft Luxemburg. Im (ahre
1441 erreichte es die ,große Politik4, dass sie für eine jährliche Leibrente von 7.000 fl.
zugunsten des Herzogs von Burgund, den sie zu ihrem Universalerben einsetzte, mit so¬
fortiger Wirkung auf alle Rechte in ihrem Wittum verzichtete. Danach übersiedelte Elisa¬
beth von Görlitz, als ,die Tote Frau4 in die luxemburgische Volkstradition eingegangen,
nach Trier, wo sie im repräsentativen Luxemburger Hof residierte und dort am 3. August
1451 als ultimafamiliae starb. Sie wurde in der damaligen Franziskanerkirche, der heutigen
Jesuiten- beziehungsweise Seminarkirche, beigesetzt; ein sehr qualitätvolles Epitaph aus
der Werkstatt des Nikolaus Gerhaert von Leyden in der Südwand des Ostchores, um
1460 zu datieren, blieb erhalten.-’
Weitere Handschriften aus dem Besitz der Elisabeth von Görlitz sind nicht bekannt,
man muss allerdings davon ausgehen, dass sie zumindest noch einige liturgische Codices
besaß oder in Auftrag gab, denn im Luxemburger Hof ist eine Hauskapelle bezeugt, wie
sie in Trier ja schon in den romanischen Kurien um den Dom23 24 oder, nur wenig später
(1481), etwa durch die Savigny-Kapelle im Domkreuzgang2" bezeugt sind.
Die Luxemburger beziehungsweise Budapester Ausstellung zu Kaiser Sigismund, dem
Onkel der Elisabeth, zeigt den künstlerischen Background einer illuminierten Prachthand¬
schrift wie der Lütticher, im moselfränkisch-trierer Dialekt abgefasst und vielleicht in
Trier selbst geschrieben, kommen ihre vierzig Illustrationen aus dem Metzer Buchmalerei-
Atelier des Henri d’Orquevaulz.
23 Schmid, Gabriele und Wolfgang: „Elisabeth von Görlitz (f 1451). Letzte Lebensjahre. Nachlassregelung
und Grabdenkmal einer Herzogin von Luxemburg in Trier“, in: Michael Embach (Hg.): Kontinuität und
Wandel: 750 Jahre Kirche des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Tine Festschrift aus Anlass der feierlichen Wiederer¬
öffnung 1993, Trier 1994, S. 211-252.
24 Brandts, Rudolf: „Kapitelshäuser im Domviertel von Trier“, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 1
(1949) S. 89-135.
2d Schmid, Wolfgang: „Der Bischof, die Stadt und der Tod. Kunststiftungen und jenseitsfürsorge im spät¬
mittelalterlichen Trier“, in: Michael Borgolte (Hg.): Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis
gur Gegenwart, Berlin 2000, S. 171-257, hier Kap. II.3.2.: „Das Savigny-Grabmal und die Savigny-Kapelle
im Domkreuzgang“, S. 227-239. — Tritz, Sylvie: Die Savigny-Kapelle im Kreuggang des Trierer Domes als spätmit¬
telalterliches Stiftungsensemble, Magisterarbeit Trier 2001.
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