Zeichen <w> erscheint,14 tritt ausnahmsweise auch da ein, wo sich im Latei¬
nischen der ursprüngliche Halbvokal erhalten hatte, so nach dem Nexus ng
oder nach s: lingwa, sartgwine, conswetudo.'5
Meist wurde jedoch in diesen Stellungen das ursprüngliche <u> verwendet,
da ja - etwa in der Verbindung [ng] - durch das <g> sichergestellt war, dass
<u> korrekt halbvokaiisch ausgesprochen wurde.16 Dies erklärt wiederum,
dass analog hierzu das biliabale [w] in germanischen Lehnwörtern und Namen
häufig mit <gu> (und nicht mit <u>) wiedergegeben wurde. Die Schreibung
<gu> diente jedoch wohl nicht nur als rein graphischer Ausspracheindikator:
Germanische Wörter, die ins Lateinische entlehnt wurden und mit w-
anlauteten, wurden auch mit einem g-Vorschlag als [gw] ausgesprochen: vgl.
afrk. wardön ,beobachten4 > it. guardare. Auch germanische Eigennamen mit
[w-] werden dementsprechend in lateinischen Texten der Romania vielfach
mit <gu> wiedergegeben. Die Sondergraphie <gu> für germ. /w/ in mittel¬
lateinischer Textüberlieferung hat also zunächst als Ausfluss romanischer
Sprachentwicklung und Schreibtradition zu gelten,17
Frühes Vergleichsmaterial für germ. /w/, das als <gu, qu, g> wiederge¬
geben wird, bieten folgende germanische Namen:
Quintrio < Wintrio bei Fredegar a. 658/60 (kopial Ende 7. Jh./Anfang 8.
Jh.);ls Quolenus < *Wolenus bei Fredegar a. 658/60 (kopial Ende 7.
Jh./Anfang 8. Jh.);19 Oualderada neben sonstigem Uualderada in derselben
Urkunde (a. 756 Campione bei Como, CDL 1/123); Quolfvinus < *Wulfawini-
a. 744 Raetoromania.20 In den südlicheren Regionen der Romania begegnen
germanische Namen, welche die Graphie <gu> aufweisen, noch früher: In
Afrika ist in Inschriften der vandalische Name Guiliaruna < * Wilja-runa (2.
Hälfte 5. Jh.) mit früher Romanisierung des /w/ > als <gu> belegt,21 so wie
14 Bischoff '2004. Es ist dabei zu beachten, dass die Editionen nicht immer zuver¬
lässig darüber Aufschluss geben, ob in den Handschriften <uu>, <vv> oder <w>
steht.
15 Stotz 1996, S. 150ff; Möhren 2000, S. 28.
16 Der Halbvokal [w] erhielt sich im Lateinischen auch nach anlautendem s- in suavis,
suadere u.ä. (Stotz 1996 § 113.3). Zu diesem komplexen und kontrovers disku¬
tierten Phänomen vgl. u.a. Parodi, 1898, S. 177-240; Schwarz 1912, S. 236-240;
Väänänen 1937 muH963; Funcke 1938; Politzer 1952, S. 211-215; Meier 1960, S.
32-46; Bonioli 1962; Barbarino 1978; Blumenthal 1972; Banniard 1997; Möhren
2000, S. 5-81; Pitz 2003, S. 97-138.
1 Haubrichs/Pfister 1989, S. 27.
18 Vgl. Ebd„ S. 29.
19 Vgl. Ebd.
20 Wartmann 1863,1, Nr. 8.
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