Kürzer, aber inhaltlich übereinstimmend hat Karlheinz Hengst diesen
methodischen Grundsatz in dem Artikel „Methoden und Probleme der sprach-
geschichtlich-etymologischen Namenforschung“ im Handbuch Namenfor¬
schung formuliert (Hengst 1995, S. 322):
Methodisch ist wesentlich, daß die sprachliche Entwicklung von ON zu
deren sprachlicher Überformung geführt haben kann. Im Verlauf der
Rekursion hin zur rekonstruierbaren Vor- oder auch Ausgangsform
eines ON sind stets zuerst gründlich die Möglichkeiten einer
Zuordnung zu den jüngeren Namenschichten (also hier zur dt. und
slaw., genauer altsorb. oder altpolab. Namenbildung) zu prüfen, ehe
eine ältere (germ. oder alteurop.) Namenbildung vermutet wird.
Zusammenfassend ist wohl folgende Formulierung für die in der Namen¬
forschung gültige Methode zutreffend: Deutsche Ortsnamen im Sinne von
Ortsnamen im deutschen Sprachgebiet sind soweit möglich und nicht anders
nötig auch im sprachlich-etymologischen Sinne als deutsch zu erklären. Die
Notwendigkeit einer vordeutschen Erklärung ergibt sich vor allem aus den
historischen Belegen, die insgesamt den methodischen Ausgangspunkt für
jede etymologische Analyse bilden.
Damit ist dann natürlich auch die deutsche Erklärung des Namens Altmühl
erledigt, da die älteren Belege für den Namen dieses Flusses bekanntlich
Alcmona, Alchmuna usw. lauten und der Name nach übereinstimmender
Meinung aller (wenngleich in der Etymologie im einzelnen divergierender)
Erklärungen jedenfalls eine vordeutsche Ableitung erfordert und in seiner
heutigen Form durch „volksetymologische Umgestaltung“ (so z.B. Bammes-
berger 1994/1995, S. 256) entstanden ist."
3. Transferenz und Undurchsichtigkeit
Die Transferenzonomastik als Zweig der Ortsnamenforschung verfügt über
ein reiches methodisches Instrumentarium, mit dem jeweils sprachbezogen
vor allem die phonologischen und morphologischen Prozesse bei der Trans¬
ferenz untersucht werden und unter Beachtung der Geschichten der gebenden
und der nehmenden Sprache auch historisch eingeordnet werden können.1
Hier soll es insbesondere um den semantischen Aspekt gehen, der von der
Durchsichtigkeit beziehungsweise Motiviertheit der übernommenen Namen
im System der nehmenden Sprache, hier der deutschen, ausgeht.
Vordeutsche Namen werden nach allgemeiner Annahme bei ihrer Bildung
für die sie bildenden Sprecher semantische Motiviertheit besessen haben, die
von Reitzenstein 1983; von Reitzenstein 1984; Greule 1984, S. 41; Wiesinger 1985,
S. 221; von Reitzenstein 1991, S. 31; Koenigs 1993, S. 351; Bammesberger
1994/1995, S. 256; Vennemann 1999, S. 304; Borchers 2006, S. 9f.
3 Vgl. Sonderegger 2004, S. 3426-3460, besonders Abb. 220.6: traditio nominum mit
weiterer Literatur.
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