Vergangenheit die Etymologie des betreffenden Toponyms im Vordergrund,
weniger der morphologische Habitus1, d.h. die Eingliederung in die Ziel¬
sprache. Zunächst sind zwei Richtungen zu beobachten: ein Mischtyp, der
darin besteht, dass eine zweigliedrige Struktur der Ausgangssprache verhaftet
ist, dagegen die morphologische Integration ein deutsches Grundwort beige-
iugt hat, z.B. dt. Attenhoven, franz. Attincourt aus Ottenhofum und román.
Ottonecurtis (Besse 1997, S. 315), entsprechend in der Germania Slavica
Ortsnamen wie Borsdorf zum slavischen Personennamen Bor. Dieser Typ ist
in beiden Bereichen der Germania Romana und Germania Slavica zahlreich
vertreten. Ein zweiter Typ besteht darin, dass in beiden Bereichen bestimmte
Endungen (auslautende Morpheme) auftreten, die völlig übereinstimmen und
der Integration vorromanischer bzw. slavischer Grundformen dienen, z.B.
-itsch in Ortsnamen wie Maditseh {Germania Romana) und Daumitsch (Ger¬
mania Slavica); -un in Ballun (Germania Romana) und Dargun (Germania
Slavica) usw. Weitere Endelemente sind -an, -atsch, -aun, -in, -ein und -is.
Einen dritten Typ können wir in der Herausbildung von so genannten topony-
mischen Simplizia sehen, die nach einer meist längeren lautlichen Entwick¬
lung entstanden sind. Es ergibt sich auf diese Weise eine Blickrichtung, die
von der etymologischen Analyse abführt und den Blick auf die integrative
Phase des Romanischen und des Slavischen ins Deutsche lenkt und versucht,
hier an den ,Flanken1 im Westen und Osten Parallelen und Differenzen
auszumachen, sie zugleich auch in die Geschichte der deutschen Sprache ein¬
zugliedern und sie dort nicht länger auszublenden. Mitteleuropa ist ein multi¬
linguales Aktionsfeld, das sich gerade in der Onymie zeigt - bis heute. Hier
können Fragestellungen angeschlossen werden, die die Globalisierung linguis¬
tisch beleuchten.
Bibliographie
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Eichler, Emst: „Germania Romana und Germania Slavica im toponymischen
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- Onomastik - Volkskunde: Beiträge zum Kolloquium am 3./4. Dezember
1999 an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz - Wolfgang Kleiber
zum 70. Geburtstag (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik, Beiheft
115), Stuttgart 2001, S. 159-167.
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