mentuhrung von Sprache, und somit auch von Namen und Geschichte, vor
allem Siedlungs- und Kulturgeschichte wie auch Archäologie, geht, kann nicht
besser verdeutlicht werden als an ausgewählten, aber sehr deutlichen Beispie¬
len eines der Altmeister der Germanistik. Theodor Frings führte aus (Frings
1956, S. 135):
Der Vorbruch der deutschen Altstämme, die Entfaltung der Siedler¬
ströme seit dem 12. Jh.„ die Besiedlung [...] im Elbe-Oder-Gebiet hat
in der Geschichte des Abendlandes nur eine Parallele: die Eroberung
Spaniens durch die nordspanischen Romanen im Kampf mit den Ara¬
bern... In Spanien greifen nördliche Mundarten als Katalanisch, Spa¬
nisch, Portugiesisch [...] miteinander und fingerförmig gegen Süden,
über die Saalelinie entfalten sich mit den Siedlungsbahnen die Sprach-
ströme gegen Osten. - Wir verdeutlichen die Überleitung aus dem Alt-
ins Neuland mit dem Siedlungsforscher noch einmal an einem beson¬
ders einfachen Fall, der zugleich in die Sprachgeschichte gehört: an der
südnördlichen Namenstufung der ,neuen Dörfer1 [...]: Neundorf,
Naundorf, Niendorf, und ergänzend weisen wir auf eine gleich gelager¬
te Stufung: die südlichen Ortsnamen auf -grün, -reut, -heim, die mittle¬
ren auf -rode und -dorf die nördlichen auf -stedt.
Hier wird die Zusammenschau von Sprache (und somit Namen) und Ge¬
schichte deutlich gezeigt, in ihrer Aussagekraft hoch gewertet und sie ist zu¬
gleich eine Ermutigung für eine europäisch ausgerichtete Betrachtung, wenn
Spanien und Deutschland vergleichend genannt werden: dies bedeutet eine
europäische Perspektive. Daher haben wir auf der XIII. Polnischen Onomas-
tischen Konferenz in Olsztyn/Allenstein (2001), einem Ort der polnischen,
deutschen, baltischen und indogermanischen Namenwelt, im südlichen Ost¬
preußen gelegen, Forschungen zur europäischen Onomastik, also eine Euro¬
onomastik, vorgeschlagen, die zusammenführen, neue Ergebnisse erbringen
und das Prestige des Namens dem Appellativum gleichstellen muss.
2. West und Ost in der Toponymie und Kulturmorphologie
Bei dem Versuch, einen Vergleich zwischen den beiden Räumen der Germa¬
nia Slavica und der Germania Romana anzustellen, darf man die allgemeine
kulturmorphologische Dimension, wie sie Frings herausstellte, nicht
ignorieren. Doch wird die Problematik eines solchen Vergleichs bald offenbar,
denn Germania Slavica und Germania Romana unterschieden sich wahrlich
grundlegend in der Zeit und in ihren Sprachräumen und kulturellen Äuße¬
rungen. Wolfgang Haubrichs hat dies in seiner Geschichte der deutschen Lite¬
ratur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit - Die Anfänge: Versuche
volkssprachiger Schriftlichkeit im frühen Mittelalter (2. Aufl. 1995)
ausführlich dargelegt. Einer seiner wichtigsten Sätze lautet: „Schreiben ist
sakraler Dienst“ (Haubrichs 1995, S. 170). In ganz neuer Sichtweise tritt die
deutsche Literatur dieser Zeit in den Gegensatz zu den Regionen zwischen
Ostsee und Donau, wo vergleichbare Zeugnisse der schriftlichen Kultur, der
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