Dagegen zeigt näher an Trier, am Zentrum der Moselromania, der Ortsname
Zerf < Cervia ,Hirschort, -wald’ die in dieser Region später zu datierende
romanische Palatisierung von [ke, ki] und bezeugt damit eine längere Romanität
im Trierer Raum, ebenso wie Detzem < *Decima ,(bei der) zehnten Meile’.
Ähnlich historisch und kulturgeschichtlich aussagekräftig sind Interferenz-
Phänomene im Bereich der Personennamen, der Anthroponymie: Zum Bei¬
spiel bezeugen die Hybridnamen Urso-marus (aus lat. ursus .Bär’ und west¬
germanisch *märja- ,berühmt’) und Petro-bertus (aus dem christlichen Perso¬
nennamen Petrus und westgermanisch *berhta- ,glänzend, illustrisi und
andere, die im 8. Jahrhundert in Ober- und Mittelitalien in beträchtlicher
Anzahl auftauchen, Existenz und wohl auch schon nahendes Ende einer
langobardisch-romanischen Mischkultur. Ähnliche Phänomene mit wohl
ähnlicher kultureller Bedeutung lassen sich für den gallischen Loire-Raum
bereits seit dem 6. Jahrhundert nachweisen.
Aber Personennamen, die ja wichtige Bestandteile der personalen Identität
des Menschen, Ausdruck auch der kulturellen Prägung und der Mentalität von
Gruppen sind, tragen noch in ganz anderer Weise zu Integration und Desinte¬
gration bei, ja bezeugen diese in ihren Überresten und Zeugen. So sind in der
spätantiken Begegnung von nichtromanischen Völkern vorwiegend germani¬
scher Zunge mit den Römern bis ins 5. Jahrhundert nur Fälle bekannt, in
denen sich die sogenannten .Barbaren’ der römischen Namensitte anpassten,
wie etwa 377/83 der Franke und römische Feldherr Flavius Merobaudes
Trever, der mit dieser Namenkonstruktion das System der tria nomina der
Römer äußerlich imitierte, indem er den einer Kaiserdynastie verdankten und
von den konstantinischen Kaisern wieder aufgegriffenen Gentilnamen Flavius
und das Cognomen Trever (,Treverer, Trierer’) dem alten fränkischen Namen
Mero-baudes vor- bzw. nachstellte. Ab dem 6. Jahrhundert lässt sich nun das
genau Umgekehrte verfolgen, das Eindringen germanischer Personennamen in
römische und romanische Adelsfamilien, das bis zum 8. Jahrhundert zur nahe¬
zu vollständigen Übernahme des germanischen Namensystems (das es nach¬
weislich gab, obwohl die Existenz von .Germanen’ von historischer Seite
neuerdings gern bezweifelt wird) im nördlichen und östlichen Gallien, im
langobardischen Teil Italiens und anderswo führte. Damit offenbart sich die
anthroponomastische Entwicklung als dem sonstigen Kulturtrend der Spätan¬
tike und des frühen Mittelalters völlig entgegengesetzt, demzufolge sich zu¬
meist die römischen Kontinuitätselemente als dominant erweisen. Dieser Pro¬
zess endet mit der sprachlichen Integration der romanischen Personennamen
in das Bairische im östlichen Alpen- und Voralpenraum (z.B. Vincéntius >
Céntio, Donatello > Tél(l)o, Marcellus > Cèllo, Dulcissimo > Cissimo,
Dominico > Mlnigo, Eugènia > Génia, Latinus > Lèdi usw.) und der lautlichen
Integration der germanischen Personennamen ins Französische (z.B. Hludwig >
Chlodwig > Clovis, Raginhard > Renard, Theodericus > Thierry usw.).
Mit der Analyse solcher eben grob und nur für wenige Regionen skizzierter
Phänomene in Kontakt- und Begegnungsräumen seit indoeuropäischer, kelti¬
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