Die Phase der Aufrechterhaltung der regionalen Rohstoffbasis -
1918 bis 1959
Kohle und Koks
Der Versailler Vertrag, der aus preußischen und bayerischen Territorialteilen die
neue politische Gebietseinheit "Saargebiet" schafft, legt hinsichtlich des Berg¬
baus an der Saar entscheidende Strukturänderungen fest. Als Ersatz für die
kriegszerstörten Kohlengruben in Nordfrankreich hat Deutschland vollständig
und lastenfrei die Kohlengruben des Saargebietes an Frankreich abzutreten.78
Die starke Nachfrage nach Saarkohle, die in Frankreich unmittelbar nach dem
Krieg herrscht,9 hält allerdings nur kurz an. Schon ab 1921 ist es für die Saar¬
gruben schwer, ihre Förderung auf dem Markt unterzubringen. Die in Frankreich
benötigte gute Kokskohle kann das Saargebiet nicht liefern. Minderwertige
Kesselkohle macht den Gruben in den französischen Kohlerevieren Konkurrenz
und ist deshalb nicht erwünscht.80 Frankreich verliert bald sein strategisches
Interesse am Saarkohlebergbau.81
Die Problematik stellt der so genannte "Sortenverbund" dar, d.h. die schon
erläuterte Tatsache, dass mit der Steigerung der Förderung der nachgefragten
Fettkohle zwangsläufig eine Zunahme der Förderung der Flammkohie einher¬
geht. Diesem Problem ist nur Herr zu werden, wenn eine vernünftige Verwertung
der minderwertigen Kohle gefunden wird.
Der Weg dazu ist nahe liegend. Die Flammkohie muss zu Elektrizität veredelt
werden. Doch das gelingt nicht. Es wird gerade einmal ein erstes größeres
Elektrizitätswerk in Fenne in Betrieb genommen. Weitere umfangreiche Investi¬
tionen für eine großtechnische Energieerzeugung stellen Grubenleitung und
Regierungskommission nicht zur Verfügung.82
Die Kohleförderung an der Saar muss zurückgefahren werden. Die Belegschaft
sinkt um 8%.83 Ein Teil der saarländischen Bergleute findet Arbeit direkt jenseits
der wieder errichteten Staatsgrenze im Forbacher Revier. Dort herrscht Arbeits¬
kräftemangel. Insbesondere auch, weil hier die Kohleförderung erheblich ge¬
steigert wird. 1924 und 1927 werden nämlich unerschlossene Fettkohlenfelder
im saarländischen Warndt an französische Gesellschaften für 99 Jahre verpachtet.
Sie werden nun von französischer Seite aus mittels Stollen unter der Staatsgrenze
hindurch ausgebeutet, ein Sachverhalt, der in der deutschen Bevölkerung als
"Kohlenklau" bezeichnet wird.
78 Latz (Anm. 20), S. 49.
79 Ebd., S. 57-58.
80 Ebd., S. 49.
81 Ebd., S. 112-113.
82 Ebd., S. 57-58.
83 Ebd., S. 66-67.
92