Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur

3. Ein drittes Problem kommt hinzu. Fettkohle und Flammkohle stehen in 
unterschiedlichen Flözen an: die Fettkohle in den älteren und damit 
unteren Flözen, die Flammkohle in den jüngeren, höher liegenden 
Flözen. 
Es lassen sich nun zwar technisch problemlos die tiefer liegenden 
Fettkohlenflöze abbauen, ohne dass man die Flammkohlenflöze an¬ 
schneidet. Aber in diesem Falle wären die darüber liegenden Flamm- 
kohlenlager in der Regel endgültig verloren.66 Denn bei der Ausbeu¬ 
tung eines Flözes stürzt das Hangende, d.h. das darüber befindliche 
Deckgebirge, bis auf den Ausnahmefall eines tektonisch sehr stabilen 
Zwischenmittels, zusammen. Die darin befindlichen Kohlenflöze zer¬ 
brechen und können nicht mehr ausgebeutet werden, was im Interesse 
eines ökonomischen Bergbaus zu vermeiden ist. Es können daher nur 
eingeschränkte Mengen Fettkohle gefördert werden, ohne vorher u.U. 
gewaltige Mengen nicht verwendbarer Flammkohle abzubauen. 
Die Folge ist, dass die quantitative Förderung von Fettkohle mit dem 
stark wachsenden Bedarf der Eisen schaffenden Industrie nicht Schritt 
hält. 
4. Ein vierter wichtiger Faktor - vor allem ein solcher, der das Saarrevier 
von anderen unterscheidet - ist die Tatsache, dass hier der Bergbau, seit 
Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken schon im 18. Jahrhundert 
die Kohlengruben an sich gezogen hat, ein staatlicher ist. Die Stein¬ 
kohlenfelder des Saarreviers gehören fast ausschließlich dem Fiskus. 
Während der hier besprochenen Zeitspanne wird der Steinkohlenberg¬ 
bau an der Saar zum ganz überwiegenden Teil vom preußischen Berg¬ 
fiskus sowie zu einem sehr geringen Teil vom bayerischen Staat und 
von wenigen kleinen Privatgruben betrieben. 
Die Einrichtung oder der Erwerb von Kohlengruben im Saarrevier durch 
die Eisenhüttenunternehmen ist ausgeschlossen. Es kann daher keine 
Kokerei eingeführt. Beim Stampfverfahren wird die saarländische Fettkohle als Einsatzkoh¬ 
le unter Hinzufügung von Koks, Petrolkoks und importierter Kohle anderer Beschaffenheit 
zunächst gemahlen und zu einem Kuchen gestampft, der auf die Dimension der Ofenkam¬ 
mern zugeschnitten ist. Durch die Zusatzstoffe und die Vorverdichtung wird der große 
Schwund beim Verkokungsprozess, der durch den hohen Gasgehalt der Saarkohle verursacht 
wird, verringert. Die Sprödigkeit und Splittrigkeit des Kokses nimmt ab; die Druckfestigkeit 
wird von 60-80 kg/cm2 auf 120-140 kg/cm2 erhöht. Um 1930 geht man in einigen Kokereien 
auf ein spezielles Schüttverfahren über, das, obwohl schließlich veraltet, im Neunkircher 
Eisenwerk bis zur Stillegung 1982 beibehalten wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird in 
allen übrigen Kokereien des Saarlandes das Stampfverfahren angewendet. Vgl. Franz 
Michael Ress, Die Geschichte der Kokereitechnik. Essen 1957, S. 396-400; Martin 
(Anm. 5), S. 139. 
66 Nicht in allen Teilen, aber in den überwiegenden Teilen der saarländischen Lagerstätte 
sind oberhalb von Fettkohlenflözen abbauwürdige Flammkohlenflöze anzutreffen. Im 
Südosten des Saarkohlenwaldes, wo auch Fettkohlenflöze an Talhängen zu Tage treten, 
fehlen hangende Flammkohlenflöze, weil sie im Verlaufe der Erdgeschichte abgetragen 
worden sind. 
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