gen, Kohlenwäschen, Kaminkühler, stromlinienförmige Autos ohne Fahrer und
futuristische Lokomotiven ohne Lokomotivführer. "Eine Schnellzuglokomotive
bei Nacht ... wirkt nicht mehr wie ein beherrschtes Menschenwerk".31 Die Sym-
bolisierung der Industrie durch rauchende Schlote und die Vorführung von
disziplinierter und qualitativ hochwertiger Arbeit (in
vB^tdChüfrSchicht' e'ner männlichen Sphäre) in der Pressefotografie, ob
(SruplAtHlIttrilungoi)
Abb. 7: Werkszeitschrift
"Nach der
Schicht", 1928
links, ob liberal orientiert, unterscheidet sich kaum
von der auf Geräte fixierten Industriefotografie und
umgibt die Großtechnik mit einer romantischen Aura.
Bei Albert Renger-Patzsch, der mit seiner Entdeckung
des Ruhrgebiets als periphererem Ort noch einmal die
Verbindung zwischen Industriefotografie und Land¬
schaftsmalerei herstellt, handelt es sich um eine stark
formalistische und auf Objektivierung zielende Foto¬
grafierweise. Wo in der Industrielandschaft überhaupt
Menschen zu sehen sind, hat erneut "das einzelne
Individuum seinen Stellenwert eingebüßt und seine
Bezüge verloren.”31 32
Diese - nimmt man alle Tendenzen zusammen -
Pluralisierung der Darstellungsweisen in der Indus¬
triefotografie während des frühen 20. Jahrhunderts
setzt sich insofern fort, als um 1930 eine weitere Strömung gerade nicht erhabe¬
ne und menschenleere Technik, sondern das Motiv des arbeitenden Menschen
betonte; zumindest wird die - wenig später ideologisch vorgegebe¬
ne - Höherbewertung des "arbeitenden" Menschen in der Industrie mit ästheti¬
schen Innovationen verbunden, indem die Fotografen - meist isoliert
dargestellte - arbeitende Menschen zu einem zentralen Sujet erheben. Die "Wert¬
schätzung von Körperkraft und Körpereinsatz; Beharrlichkeit und Konzentration
auf eine zugewiesene Aufgabe; Erfahrungssicherheit und 'Handfertigkeit'" ist
zwar als immanente Bildtendenz nicht ganz neu, es handelt sich jedoch inzwi¬
schen um Heroen der Arbeit für den Volkskörper. ” Die heroisierte Körperlichkeit
des potenziellen Klassensubjekts in der älteren Industriemalerei des 19. Jahr¬
hunderts wurde im Nationalsozialismus in den propagandistischen Darstel¬
lungen zum Volkskörper umgedeutet und in den klassischen Auftragsarbeiten
der Privatindustrie wurden die historischen Bezüge der dargestellten Arbeiten¬
den zugunsten einer ahistorischen Typisierung des Facharbeiters schlechthin
uminterpretiert. Der Handarbeiter, aus seiner Arbeitsumwelt gelöst, wird zum
körperbetonten Typ des Arbeitenden schlechthin. Der militärischer Disziplin
31 Hans Kulimann, Schönheit der Technik. München 1928, S. 226.
32 Thomas Janzen, Zwischen der Stadt. Photographien des Ruhrgebiets von Albert Renger-
Patzsch. Ostfildern 1996, S. 26.
33 Lüdtke(Anm. 2), S. 421.
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