verwandeln und auf diese Weise aus den Kriterien der an den Gesetzen des
Produktionsapparates im engeren Sinne orientierten Finanzverwaltung her¬
auszunehmen. Robert Pinot, Generalsekretär des einflussreichen Comité des
Forges, verstand seit den Streiks von 1905-1907, welche Bedeutung die be¬
triebliche Sozialpolitik gegenüber dem Staat und den Gewerkschaften zu erhal¬
ten vermochte. Schüler von Cheysson und dem Abbé de Tourville, machte er
dem Patronat unablässig die soziale Rolle deutlich, die es spielen konnte. 1912
sandte er angesichts der zahlreichen Projekte über die Sozialversicherung den
Betriebschefs einen Brief und einen Fragebogen zur Wohnungsfrage. Sein Ziel
war, der öffentlichen Fland die Rolle zu zeigen, welche die Unternehmen im
sozialpolitischen Feld einnehmen konnten, und dass der Staat es nicht besser
machen könnte. Nach dem Ersten Weltkrieg griff er dies vehement wieder auf
und veröffentlichte ein kämpferisches Buch "Les Œuvres sociales des industries
métallurgiques."’5 Neue Enqueten und Vortragsreihen sollten die Industriellen
von der Stichhaltigkeit seiner Argumente überzeugen. Pinot war sich seiner
Analysen und Vorschläge so sicher, dass er den "produktiven" Aspekt sozialer
Einrichtungen ganz vergaß. Es ging ihm vor allem darum, die Unternehmen im
Soziaibereich der Einwirkung des Staates zu entziehen.
In ihrer Gesamtheit trugen all diese Faktoren, auch wenn sich eine Hierarchie
ihrer Einflusskraft nicht feststellen lässt, zu einer grundlegenden Veränderung
der Arbeitersiedlungen bei. Das Konzept der Gartenstädte erschien: Die Straßen
wurden breiter, ihre Führung wurde komplexer, die Häuser wurden größer und
bequem. Die Gärten orientierten sich weniger am "materiellen" Nutzen. Neue
Einrichtungen kamen zu den Läden oder Kooperativen und Schulen hinzu:
Bibliotheken, Festsäle und Sporteinrichtungen beispielsweise. Die Arbeitersied¬
lung wurde eine Einheit für sich, in welcher die Wohnung zwar die wichtigste
Komponente war, jedoch nur eine unter mehreren als Element eines Ganzen.
Die sehr bedeutende Baukonjunktur nach dem Ersten Weltkrieg, die in diesem
Kontext zu sehen ist, gab der Arbeitersiedlung endgültig ein Bild, wie es die
Vorkämpfer der Sozialwohnungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entworfen hatten. Kennzeichen waren vor allem ein Wohnungsangebot zu
ziemlich niedrigen Preisen und Ausstattungen, welche die Lebensbedingungen
des Arbeiters verbessern sollten. Damit reihte sich die Siedlung in die Ma߬
nahmen eines auf dem Triumphzug befindlichen Paternalismus ein, der seine
Effizienz gegenüber den Absichten des Staates und den Forderungen der linken
politischen Kräfte proklamierte. Dieses Bild befriedigte auch die Gegner des
Kapitalismus und des Paternalismus, die auf derselben Grundlage wie dessen
Verteidiger seine perversen Wirkungen für die Arbeiterklasse verurteilten.
In beiden Fällen bedeutete dies, eine Reihe von Tatsachen zu vergessen. Vorran¬
gig war, wie gezeigt, die Notwendigkeit des Siedlungshaus angesichts der
35 Robert Pinot, Les Œuvres sociales des industries métallurgiques. Paris 1924.
373