brachten. In Frankreich führte dies 1893 zum Gesetz über die Habitations à Bon
Marché (HBM).32 Für die Industriebetriebe waren die das Gesetz begleitenden
Finanzdispositionen grundsätzlich attraktiv. Allerdings sank diese Attraktivität
wiederum erheblich durch die Normen, welche die Maßnahmen begleiteten. Ihr
Ergebnis war im Allgemeinen eine Kostensteigerung für die Unternehmen.
Infolgedessen waren die in diesem gesetzlichen Rahmen durchgeführten Bauten
im lothringischen Industriebecken selten, und das auch noch nach dem Gesetz
von 1906, mit dem der Finanzrahmen an sich hatte verbessert werden sollen.
Auf der deutsch-lothringischen Seite ergab sich der gleiche Befund. Hier führten
die Gesetze von 1889 zur Gründung von Baugenossenschaften. Die Realisie¬
rungen waren allerdings ebenfalls bescheiden.
Das Hauptergebnis lag auf einer anderen Ebene. Auf der französischen Seite gab
das Gesetz von 1906 den lokalen Körperschaften die Möglichkeit, die wich¬
tigsten initiativen im sozialen Wohnungswesen zu ergreifen, und auf deutscher
Seite erhielt die öffentliche Hand die Vorherrschaft in den Baugenossenschaften
wie im Fall des "Saar- und Moselvereins."33 Dies vermittelte den Unternehmen
den sehr deutlichen Eindruck, dass die öffentliche Verwaltung den Bereich des
Wohnungswesens mit Beschlag belegen und so dem Patronat seine Politik der
Arbeiterwohnungen diktieren könnte. Um 1907/08 diskutierte man in Frank¬
reich auch darüber, ob man die Gesetzgebung über die Bergbaukonzessionen in
dem Sinne verändern sollte, dass die Verpflichtung der Bergbauunternehmen zur
Übernahme einer gewissen Zahl sozialer Einrichtungen die Grundlage für die
Konzessionszuteilung würde. Der lothringische Bergbau nahm diese Bedro¬
hung sehr ernst und tendierte zu einer Strategie der offensiven Verteidigung. So
sah die Grube von Amermont sich veranlasst - wenngleich nicht mit großem
Enthusiasmus -, den Bau einer Gendarmeriestation zu finanzieren.34 Ein zweites
Element kam hinzu - ebenso bedeutend wie der Druck des Staates, doch im
Unternehmen selbst begründet. Die Siedlungen waren, wie gezeigt, ohne ge¬
nauere Reflexion über ihre Zukunft gebaut worden. Doch ihr Unterhalt wurde
immer notwendiger und immer teurer. Zugleich musste man den Anforderungen
der Gesellschaft im Hinblick auf Lebensbedingungen und Komfort folgen, was
wiederum zurückführte zum Werbeeffekt einer Siedlung und zum Gewicht der
Konkurrenzsituation. Konkret bedeutete das den Bau einer Kanalisation,
fließendes Wasser in den Häusern und allmählich Elektrizität. Im Übrigen stie¬
gen die Baukosten ständig an. Ergebnis war ein Einbruch der Rentabilität der
Siedlungen, so dass man den Bau von Arbeiterwohnungen gegenüber den
Aktionären nicht mehr als eine Gewinn bringende Operation darzustellen ver¬
mochte. Die Lösung bestand darin, die Arbeitersiedlungen in soziale Werke zu
32 Roger-Henri Guerrand, Propriétaires et locataires. Paris 1987.
33 Saar und Mosel Verein zur Förderung des Kleinwohnungswesens, gegründet in Saarbrücken
am 6.11.1909.
34 Société des Mines d'Amermont, Conseil d'administration, 18.2.1909 (ADM 88 J 7).
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