wurde,62 wurden die Konflikte wie in der Völkerbundszeit zunehmend national
interpretiert. Die unterbliebene gesellschaftliche Integration der Gewerkschaften
als gesellschaftlicher Ordnungsfaktor bereitete den Boden für eine antifranzösi¬
sche Stimmung und damit auch für die Identifikation mit der prodeutschen
Richtung. Als Folge der nationalen Politisierung kam es zum Verbot des Indus¬
trieverbandes, die gemäßigteren Kräfte gründeten die Industriegemeinschaft
Bergbau, um sich dann wieder zum IV Bergbau zusammenzuschließen. Sie
standen im Blickpunkt des gesamtdeutschen Ministeriums unter Jakob Kaiser
und der von Gustav Strohm geleiteten Saarabteilung im Auswärtigen Amt. Die
prodeutschen Sozialdemokraten verließen spätestens 1952 die SPS und ent¬
wickelten eine systematische Betriebsparteigruppenarbeit, auch die prodeutsch
ausgerichteten Christdemokraten blieben nicht untätig. In Bonn glaubte man,
"Die Saarfrage wird vom Saarkumpel entschieden". Man erinnerte sich an den
Bergarbeiterstreik von 1923.63 Die prodeutschen Sozialdemokraten mit Kurt
Conrad an der Spitze bemühten sich um eine Koordinierung ihrer Partei- und
Gewerkschaftsarbeit, für den IV Metall kam Leo Moser und Norbert Engel eine
führende Rolle zu. 1953 wurde Moser zum zweiten Vorsitzenden des IV Metall
gewählt. Conrad pflegte regelmäßige Kontakte zum Kaiser-Ministerium sowie zur
Bonner SPD. Der DGB konnte erst relativ spät gewonnen werden, seine Zu¬
schauerrolle gab er erst langsam ab 1951/52 auf, hatte er doch Bedenken auch
hinsichtlich einer kommunistischen Instrumentalisierung der prodeutschen
Gewerkschaftskräfte. Insbesondere in den Kreisen Homburg, St. Ingbert und
Neunkirchen konnte die DSP der autonomistischen Sozialdemokratie aktive
Verbände entgegensetzen.64 Die Entwicklung der Gewerkschaften zu einem
Sammelbecken der antiautonomistischen Kräfte war durch die "Vorarbeit" der
Kommunisten gefördert worden. Die KP war nach Kriegsende von Anfang an in
Gewerkschaften und Betrieben präsent gewesen. Wenn auch ihr Einfluss quanti¬
tativ gering erscheinen mag, qualitativ war er in rhetorischer und strategischer
Kompetenz beachtlich, wie die Beobachtungen der französischen Militärregie¬
rung, der Saarabteilung im Auswärtigen Amt und des DGB zeigen. Im Vorder¬
grund stand nicht Klassenkampf, die Lebens- und Arbeitsverhältnisse wurden
national interpretiert, d.h. Missstände wurden auf die besondere politische
Situation zurückgeführt.65
Richard Kim erkannte, dass die Chancen, den Gewerkschaften mehr Partizipa¬
tionsmöglichkeiten zu eröffnen, nahezu aussichtslos waren. Ihre Spaltung und
Politisierung sowie französische Traditionen ließen ein fortschrittlicheres Be¬
triebsverfassungsgesetz oder gar eine Tarifautonomie politisch immer schwieriger
werden, zumal auch der Koalitionspartner CVP sich mit Rücksicht auf seine
62 Heinen (Anm. 57), S. 256.
63 Herrmann (Anm. 1), S. 370ff.
64 Ebd., S. 388ff.
65 Ebd., S. 315ff.
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