verschiedenen Branchen.1 Auch wenn sich in St. Ingbert am 1. Juli 1945 die
Einheitsgewerkschaft gründete, entwickelte sich erst nach dem Beitritt des
Saarlandes zur Bundesrepublik eine stabile Einheitsgewerkschaft. Dies ist nicht
nur mit der Zulassung christlicher Gewerkschaften im August 1947 zu erklären,
sondern auch mit einer Zersplitterung quer durch das christliche Lager sowie vor
allem quer durch die Einheitsgewerkschaft in eine prodeutsche und eine autono-
mistische Richtung.2
Die gewerkschaftliche Spitze setzte sich wie die politische Elite im Saarland nach
1945 in hohem Maß aus Remigranten und erfahrenen Gewerkschaftern zu¬
sammen, die bereits in der Völkerbundszeit maßgebliche Positionen begleitet
hatten, wie Jakob Müller oder Jakob Frank. Der Vorsitzende der Einheitsgewerk¬
schaft Heinrich Wacker war als ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Werk¬
meisterverbandes 1933 nach Hitlers Machtergreifung ins Saargebiet gekommen,
um sich vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu schützen. Nach der
Rückgliederung an NS-Deutschland emigrierte er nach Frankreich. Auch
Wackers Stellvertreter Eduard Weiter war Remigrant. 1935 verhaftete ihn die
Gestapo, er floh nach Frankreich und lebte u.a. in Paris und St. Etienne.2 Die
Exilerfahrung vieler Gewerkschafter wie ihre Prägung in der französischen
Résistance bestärkten sie in ihrer Überzeugung von der Einheitsgewerkschaft.
Zur Wahrung der Demokratie galt es gewerkschaftliche Macht einheitlich zu
vertreten und statt Richtungsgewerkschaften eine starke Einheitsgewerkschaft
aufzubauen.
Ein weiterer Unterschied in Aufbau und Struktur ist ein geringerer gewerk¬
schaftlicher Organisationsgrad und auch eine im Vergleich zu den Gewerk¬
schaften im Deutschen Reich und zur Bundesrepublik deutlich geringere Pro¬
fessionalität in der Gewerkschaftsarbeit. Sie sind auf die jeweils besondere
Situation nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zurückzuführen, zugleich
erklärt diese besondere politische Rahmenbedingung des Saarlandes einen
weiteren Unterschied: Die saarländischen Gewerkschaften zersplitterten sich
jeweils in eine politische Richtung, die 1935 für oder gegen den Status Quo
votierte bzw. nach 1945 die politische Sondersituation einer halbautonomen
Saarregierung und einer Wirtschaftsunion mit Frankreich akzeptierte oder
stattdessen die Saar als Teil der Bundesrepublik sehen wollte. Auch wenn die
Mitgliederzahlen für das Saarrevier beeindrucken mögen, so ist zu bedenken,
dass die Zahlenangaben auf Schätzungen, mündlicher Überlieferung oder Presse¬
angaben beruhen. So soll der Industrieverband (IV) Metall 1955 über 17.000
Mitglieder verfügt haben und der IV Bergbau über 45.000. Diesen vergleichs¬
1 Vgl. dazu ausführlich Hans-Christian Herrmann, Sozialer Besitzstand und gescheiterte
Sozialpartnerschaft. Sozialpolitik und Gewerkschaften im Saarland 1945-1955. Saarbrücken
1996, S. 298-311.
2 Ebd., S. 346ff.
3 Ebd., S. 524-526.
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