Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur (37)

ein. Alles in allem kam es reichsweit nach den Statistiken der Krankenkassen 
zwischen 1913 und 1918 zu einer Steigerung der weiblichen Mitglieder um 
17%, was durchaus mit den Wachstumsraten zu Friedenszeiten vergleichbar 
war.23 
Nach Beendigung des Krieges wurde umgehend der Abbau der weiblichen 
Arbeitskräfte in Angriff genommen: Noch vor Ausrufung der Republik und dem 
Inkrafttreten des Waffenstillstands wandte sich das Kriegsministerium an die 
Vereinigung der Arbeitgeberverbände, um darauf hinzuwirken, dass die Frauen 
unter anderem aus Arbeitsplätzen, die für heimkehrende Kriegsteilnehmer ge¬ 
braucht würden, entfernt werden.24 
Gemäß den Richtlinien des "Reichamts für wirtschaftliche Demobilmachung" 
vom 20. November 1918 sollten zwar Massenentlassungen vermieden werden, 
aber gleichzeitig "Frauen, die nicht auf Erwerb angewiesen" und die vor dem 
Krieg in einer anderen Branche tätig oder ortsfremd waren, entlassen werden.25 
Nicht zuletzt die Demobilmachungsverordnungen vom Januar 1919 und die 
verschärfende Verordnung vom März 1919 zerschlugen noch eventuell vorhan¬ 
dene Hoffnungen der Frauen auf arbeitsrechtliche Gleichberechtigung. 
Da jedoch viele Arbeiter gefallen oder in Kriegsgefangenschaft geraten und 
umgekehrt eine große Anzahl Frauen verwitwet und auf die Arbeit angewiesen 
war, ging der Ablöseprozess schubweise vonstatten. So waren 1920 auf der 
Völklinger Hütte noch 200 Frauen beschäftigt.26 
Wurden die Frauen im Verlauf der Demobilmachung arbeitslos, so bot der Gang 
zum Wohlfahrtsamt kaum einen Ausweg, denn die geschlechterhierarchische 
Behandlung auf dem Arbeitsmarkt setzte sich in der Praxis der Erwerbslosenfür¬ 
sorge fort: Bereits die erste diesbezügliche Verordnung vom 13. November 
1918 machte die Gewährung von Unterstützungsleistungen von der "Erwerbs¬ 
bedürftigkeit" der betreffenden Frau abhängig und verwies sie ansonsten an 
ihren "Ernährer". Außerdem waren die Unterstützungssätze nicht nur nach 
Ortsklassen, Alter und Familienstand gestaffelt, sondern auch nach Geschlecht.2 
Im Saargebiet wurde trotz zunehmender Unzufriedenheit während der Völker¬ 
bundszeit an dieser Verordnung festgehalten, während im Deutschen Reich 
1922 das ,Reichsarbeitsnachweisgesetz4 eingefiihrt wurde, dem 1927 die schon 
23 Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgeselischaft. Beruf, Familie und Politik im 
Ersten Weltkrieg. Göttingen 1989, S. 42. 
24 Übereinkunft vom 8.11.1918, zit. nach Susanne Zeller, Demobilmachung und ge¬ 
schlechtsspezifische Arbeitsteilung im Fürsorgewesen nach dem Ersten Weltkrieg, in: 
Frauenmacht in der Geschichte. Beiträge des Historikerinnentreffens 1985 zur Frauen¬ 
geschichtsforschung, hrsg. von Jutta Dahlhoff, Uschi Frey u. Ingrid Schöll. Düsseldorf 1986, 
S. 284f. 
25 Ebd., S. 285. 
26 Der Hüttenmann bei Röchling 11 (1967) 1, S. 9. 
27 Susanne Rouette, Sozialpolitik als Geschlechterpolitik. Die Regulierung der Frauenarbeit 
nach dem Ersten Weltkrieg. Frankfurt/New York 1993, S. 259. 
278
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.