fmierte, sondern auch konfessionelle oder andere ideologische Affinitäten zum
Tragen kommen konnten.
Ein anderer Teil der Arbeiter orientierte sich in erster Linie daran, welcher Verein
am ehesten ihren Sport bezogenen Interessen gerecht wurde. Aufgrund des
Fehlens eines klar abgegrenzten sozialistischen Milieus waren die organisatori¬
schen Präferenzen der am Sport interessierter Arbeiter in Frankreich tendenziell
nicht von politisch-ideologischen, sondern eher von pragmatischen Überlegun¬
gen geleitet, die sich beispielsweise auf Kosten und Qualität des Sportangebots
bezogen. Und schließlich muss auch davon ausgegangen werden, dass Sport¬
vereine so etwas wie ein eigenständiges Milieu konstituierten, das weniger von
Klassenzugehörigkeiten oder politisch-ideologischen Übereinstimmungen als
vielmehr von der gemeinsamen Begeisterung für eine körperkulturelle Praxis
zusammengehalten wurde. Bezeichnenderweise war die Opposition von Turnern
beziehungsweise Gymnasten und Sportlern in hohem Maße körperideologisch
begründet und wies über die Klassengrenzen oder über die Opposition von
bürgerlichem Sport und Arbeitersportbewegung hinaus.
War das Feld des Sports schon von anderen Organisationen besetzt, so in
Frankreich, hatte es ein politisch orientierter Arbeitersportverband umso schwe¬
rer, hier Fuß zu fassen, sofern seitens der bürgerlichen oder konfessionellen
Verbände keine massiven politischen oder sozialen Diskriminierungen vor¬
genommen wurden. Mit den fortwährenden, in der Parteizeitung "L'Humanité"
veröffentlichten Appellen an das Klassenbewusstsein der Sport treibenden
Arbeiter war nicht viel zu bewegen. Politisch-ideologische Argumente konnten
nicht zuletzt aufgrund des Fehlens einer starken affektiven Bindung der Arbeiter
an die Sozialistische Partei kaum Wirkung erzeugen, abgesehen davon, dass der
Sport von vielen Arbeitern - und selbst von vielen Parteimitgliedern - als un¬
politischer Bereich betrachtet wurde. Relativ erfolgreich konnte die Arbeiter¬
sportbewegung nur operieren, wenn, wie in Deutschland, die politische Kultur
größerer Teile der Arbeiterschaft die Integration in Organisationen der Arbeiterbe¬
wegung quasi zu einem sozialen Bedürfnis werden ließ.
Bestrebungen in Richtung einer rein erzieherischen "proletarischen Körperkul¬
tur" standen überall in einem Spannungsverhältnis zum politisch begründeten
Interesse der Arbeitersportverbände, eine möglichst große Mitgliederbasis herzu¬
stellen. Durch das Konkurrenzverhältnis zu den bürgerlichen Organisationen
ergab sich für die Arbeiterturn- und -sportverbände eine Situation, in der sie in
hohem Maße gezwungen waren, sich den Formen der dominierenden bürgerli¬
chen (Körper-) Kultur anzupassen, auf deren Repertoire sie bereits zum Zeitpunkt
ihrer Gründung zurückgegriffen hatten. Die Arbeitersportbewegung stand damit
vor dem quasi unlösbaren Problem, Wettkämpfe organisieren zu müssen und
zugleich die ihnen inhärenten Werte bekämpfen zu wollen,74
79 Vgl. zur Wettkampfdiskussion und zu den vergeblichen Versuchen der Pädagogisierung
des Wettkampfsports in der deutschen Arbeitersportbewegung die den Forschungsstand
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