die Symbiose von Sport und Politik aus der Menge der Sport treibenden Arbei¬
terjugend entschlossene und tatkräftige "Bataillone des Klassenkampfes" ent¬
stehen lassen, wobei allerdings, der legalistischen und parlamentarischen Aus¬
richtung der SFIO entsprechend, nie ernsthaft der Eingriff von Arbeitersportlem
in bewaffnete revolutionäre Kämpfe in Erwägung gezogen wurde.
Sport sollte von den Mitgliedern der FSAS auf keinen Fall als Selbstzweck
betrachtet werden, sondern als Tätigkeit, die Kräfte für den Klassenkampf und
für die Übernahme von Verantwortung in der - den sozialistischen Vorstel¬
lungen zufolge - unweigerlich kommenden klassenlosen Gesellschaft freisetzen
würde.63 Um den sozialistischen Einfluss auf das politische Bewusstsein der
Mitgliedschaft abzusichern, hatte die FSAS seit ihrer Konstituierung die Partei¬
zugehörigkeit zur Bedingung für die Ausübung von leitenden Funktionen im
Verband und in den Vereinen erhoben.64
An die Arbeitersportler ging die Aufforderung, an den Aktionen der Partei und
der Gewerkschaften teilzunehmen. Sportwettkämpfe der FSAS wurden abgesagt,
wenn sie sich zeitlich mit wichtigen Kundgebungen der SFIO - wie zum Beispiel
die Demonstrationen gegen die Verlängerung der Militärdienstzeit von zwei auf
drei Jahre im Mai 1913 - überschnitten.6'’ Dort übernahmen Arbeiterradfahrer
Kurierdienste.66 Diese Akzentuierung des Politischen stieß nicht bei allen Mit¬
gliedern der FSAS auf Gegenliebe und bildete bis zum Kriegsausbruch einen
Gegenstand heftiger Kontroversen.67 Für einen großen Teil der Mitglieder dürfte
die Möglichkeit der sportlichen Aktivität in vertrautem Kreis und zu günstigen
Preisen den entscheidenden Impuls zum Beitritt gegeben haben, während die auf
Funktionärsebene hergestellte Verbindung von Sport und Politik nicht oder
zumindest nicht im erhofften Maße nachvollzogen wurde. So konnte sich
beispielsweise das Projekt, politische Vorträge fest in das Programm der Vereine
zu integrieren, in der Praxis nicht durchsetzen.68 Auch das Ziel, jedes einzelne
Mitglied früher oder später in Besitz des Parteiausweises zu bringen, war weder
durch Überzeugungsarbeit noch durch realitätsferne Beschlüsse erreichbar.69
Dem Nationalismus der bürgerlichen und klerikalen Sportbewegung hielt der
Arbeitersportverband das Ideal des proletarischen Internationalismus entgegen.
Der Sport sollte nicht in einen Wettstreit der Nationen ausarten; betont wurden
die freundschaftlichen Verbindungen zu den ausländischen Gesinnungsgenos¬
63 Vgl. L’Humanité, 9.3.1914; Compte-Rendu (Anm. 4), S. 14-17.
64 Vgl. Madeleine Rébérioux, Culture et militantisme, in: Le Mouvement social 91 (1975)
avril-juin, S. 6; L'Humanité, 29.9.1909, 7.9.1910.
65 L’Humanité, 28.5.1910, 9.7.1911, 14.5.1913, 23.5.1914.
66 L'Humanité, 24.5.1912, 25.5.1913, 6.5.1914.
67 Vgl. L’Humanité, 28.5., 30.8. und 16.9.1910, 9.7., 8.10. und 10.10.1911, 14.5. und
17.7.1913, 23.5.1914. Vgl. zu dieser Thematik auch Kssis (Anm. 12).
68 Vgl. Léziart (Anm. 11 ), S. 185.
69 Der 4. FSAS-Kongress (Romilly, 8. Oktober 1911) erhob den Parteibeitritt zur Verpflich¬
tung aller über 20 Jahre alten Sportler. Vgl. L'Humanité, 10.10.1911.
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