Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur

ln der ersten Phase bis zum Winter 1941/42 verlief der "Ausländereinsatz" an 
Ruhr und Saar gänzlich unterschiedlich. Im Ruhrbergbau wurden seit dem 
Frühjahr 1940 bis zum Ende des Jahres 1941 in so genannten "Sondereinsatz¬ 
aktionen” insgesamt ca. 80.000 ausländische Arbeitskräfte aus den besetzten 
Gebieten Polens, Belgiens und Nordfrankreichs sowie aus Italien, Kroatien und 
Dänemark angelegt,10 11 von denen allerdings mehr als die Hälfte am Ende des 
Jahres 1941 bereits wieder in andere Wirtschaftszweige oder meistens in ihre 
Heimatländer abgekehrt war (s. Tab. 1). Dagegen waren noch Anfang Dezember 
1941 wenig mehr als 800 Ausländer auf den Schachtanlagen der Saargruben AG 
beschäftigt, größtenteils Polen und Jugoslawen, die zuvor vermutlich in der 
Landwirtschaft eingesetzt gewesen waren, und erst im Dezember 1941 kamen 
einige hundert spanische Arbeiter und die ersten 170 französischen Kriegs¬ 
gefangenen hinzu." 
Diese gänzlich unterschiedliche Entwicklung hing vor allem mit drei Faktoren 
zusammen. Erstens war der Saarbergbau offensichtlich von der viel beschwo¬ 
renen "Flucht aus dem Bergbau" nicht oder wenigstens sehr viel weniger betrof¬ 
fen als der Ruhrbergbau. Der Arbeitskräftemangel an der Ruhr seit 1937 resul¬ 
tierte nicht zuletzt daraus, dass insbesondere junge Bergleute oder Facharbeiter 
den Schachtanlagen scharenweise den Rücken kehrten, um in der benachbarten 
Eisen- und Stahlindustrie oder bei den Großprojekten der Reichswerke Hermann 
Göring leichtere und besser bezahlte Arbeit zu finden. In den Jahren 1937 und 
1938 verließen bei einer Arbeiterbelegschaft von insgesamt etwa 280.000 Mann 
fast 45.000 Arbeiter den Ruhrbergbau.12 Auch nachdem im Juli 1939 der 
Arbeitsplatzwechsel aus dem Bergbau in andere Industriezweige erheblich 
erschwert werden war, nutzten abkehrwillige junge Bergmänner die freiwillige 
Meldung zur Wehrmacht als Längerdienende als Ventil zur Flucht aus dem 
Bergbau. Darüber hinaus gelang es dem Ruhrbergbau immer weniger, seinen 
Nachwuchsbedarf an Bergjungleuten zu decken, um auch nur die ausscheiden¬ 
den Alterspensionäre zu ersetzen, weil kaum noch ein Volksschulabgänger in 
den Bergbau wollte. 1939 konnte der Ruhrbergbau nur noch 29% der eigent¬ 
lich benötigten Bergjungleute einstellen.13 Diese Probleme führten dazu, dass 
10 Vgl. zur quantitativen Entwicklung der Ausländerbeschäftigung während des Zweiten 
Weltkrieges im Ruhrbergbau genauer Hans-Christoph Seidel, Ausländerbeschäftigung und 
Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges, in: Westfälische Zeit¬ 
schrift 2003 (im Erscheinen). 
11 Oberbergamt Saarbrücken, Bericht über die wirtschaftliche Lage im Januar 1942 
(BAB R 7/467, p 5v-p 9r). 
!2 Vgl. dazu Klaus Wisotzky, Der Ruhrbergbau im Dritten Reich. Studien zur Sozialpolitik 
im Ruhrbergbau und zum sozialen Verhalten der Bergleute in den Jahren 1933 bis 1939. 
Düsseldorf 1983, S. 130. 
13 Vgl. dazu zum Beispiel den Bericht des Vorstandsvorsitzenden der Hibemia Wilhelm 
Tengelmann an den Aufsichtsrat der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 1938 (BBA 32/511). 
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