Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur

Aufgrund dieses Forschungsdesiderates werden daher in diesem Beitrag in einer 
ersten Annäherung an das Thema anhand des staatlich-preußischen Saarkohlen¬ 
bergbaus exemplarisch eine staatliche Unternehmensführung und ihre Leiter 
genauer untersucht und dabei die speziellen Charakteristika in der Führung 
dieses Staatsunternehmens herausgearbeitet. Insbesondere die Organisation der 
Untemehmensführung, der Entscheidungsfindungsprozess und die Gruppe der 
leitenden Beamten stehen dabei im Vordergrund der Analyse. Die preußischen 
Staatsgruben an der Saar eignen sich dabei gut als Fallbeispiel, stellten sie doch 
trotz ihrer Unternehmensform als staatlicher Regiebetrieb* 4 5 lange Zeit nicht nur 
das bei weitem größte Unternehmen in der Saarregion dar, sondern waren bis 
Ende der achtziger Jahre des 19, Jahrhunderts mit ca. 25.000 Beschäftigten auch 
das größte deutsche Industrieunternehmen. Selbst 1907 besaßen die staatlichen 
Saargruben mit 50.000 Personen noch die fünftgrößte Belegschaftszahl aller 
deutschen Konzerne/ Zudem kam ihnen eine erhebliche regionalwirtschaftliche 
Bedeutung zu, hatte die Bergwerksdirektion an der Saar doch lange Zeit die 
uneingeschränkte Marktführerschaft inne, aufgrund der sie mit Kohlenliefe¬ 
rungen und Preisen die Entwicklung der Wirtschaft in- und außerhalb der 
Region entscheidend mitbestimmte.6 
Die Organisation des preußischen Staatsbergbaus an der Saar 
Ein Jahr nachdem Preußen das Gebiet um Saarbrücken 1815 übernommen hatte, 
wurde das Saarbrücker Bergamt gegründet, das neben der bergpolizeilichen 
Aufsicht des privaten Bergbaus und Hüttenwesens7 auch die Führung der 
Siehe hierzu auch Hesse (Anm. 2), S. 19-20, der ausfiihrt, dass sich Großunternehmen an 
öffentlichen Verwaltungen orientierten, andererseits aber auch Verwaltungen wie die 
Reichspost sich als Betriebsverwaltung bezeichneten und sich an den Großunternehmen ein 
Beispiel nahmen. 
4 "Der Regiebetrieb ist als öffentlicher Betrieb sehr stark an die jeweilige Gebietskörper¬ 
schaft (Stadt, Kreis, Land, Bund) gebunden. Seine Einnahmen und Ausgaben finden sich als 
einzelne Etatansätze im Haushaltsplan der Gebietskörperschaft und müssen streng beachtet 
werden. Die Einnahmen werden abgeführt, ein eigenes Vermögen besitzt er nicht. Die 
Leitung obliegt Beamten, was einen starken öffentlichen Einfluss sicherstellt. Beispiele für 
Regiebetriebe sind: Schlachthöfe, Krankenhäuser, Theater.” Helmut Schmalen, Grundlagen 
und Probleme der Betriebswissenschaft. Köln 1980, S. 58-59. 
5 Martin Fiedler, Die 100 größten Unternehmen in Deutschland - nach der Zahl ihrer 
Beschäftigten - 1907, 1938, 1973 und 1995, in: Zeitschrift fiir Untemehmensgeschichte 44 
(1999) 1, S. 32-67; ders., Die 100 größten Unternehmen von 1938, in: Zeitschrift für 
Untemehmensgeschichte 44 (1999) 2, S. 235-243. 
6 Siehe zur Entwicklung der Saarregion in der Industrialisierung: Banken, Frühindustrialisie¬ 
rung (Anm. 1); Ralf Banken, Die Industrialisierung der Saarregion 1815-1914. Bd. 2: Take- 
Off-Phase und Hochindustrialisierung 1850-1914. Stuttgart 2003. 
Da der Bergbau in wirtschaftlicher Hinsicht wegen des französischen Berggesetzes von 
1810 von staatlicher Aufsicht und Bevormundung in unternehmerischen Fragen frei war, 
blieben dem Bergamt bei den privaten Gruben und Unternehmen nur bergpolizeiliche 
Befugnisse. Diese rechtliche Grundlage unterscheidet sich grundsätzlich vom Direktions¬ 
prinzip im Ruhrgebiet, wo sich die Kohlengruben zwar im Privatbesitz befanden, aber in 
technischer und wirtschaftlicher Hinsicht von den preußischen Beamten der Bergbehörden 
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