Aktienkapital blieb in deutscher Hand, der Einfluss der deutschen Aktionäre
wurde völlig ausgeschaltet. Seit 1948 liefen Verhandlungen mit belgischen,
britischen und amerikanischen Unternehmensgruppen über eine Neuordnung
der Beteiligungen. Im Jahre 1953 kamen Pläne auf, beide Hütten zu 35% in
französischen Staatsbesitz zu überführen, diese Besitzanteile dann an die lothrin¬
gische Eisenindustrie weiterzugeben, was zu einer vollständigen Kontrolle der
Saarhütten durch lothringische und luxemburgische Unternehmen geführt hätte.
Die Sequesterverwaltung über Neunkirchen wurde im Oktober 1955 aufge¬
hoben, über die Völklinger Hütte erst im November 1956.
Entsprechend den Zielsetzungen des Monnetplanes, die französische Stahlin¬
dustrie auszubauen, wurden Wiederaufbau und Modernisierung der Saarhütten
gebremst, demgemäß auch die Saarhütten an Marshall-Plan-Geldern nur mit einer
Quote von ungefähr 2% bedacht, m.a.W. die ERP-Gelder wurden von der
französischen Regierung in einem Umfang zugewiesen, der dem saarländischen
Anteil an der Eisen- und Stahlproduktion innerhalb der französisch-saarlän¬
dischen Wirtschaftsunion nicht gerecht wurde. Während die französischen
Hüttenwerke zwischen 1946 und 1953 insgesamt 440 Milliarden Francs in¬
vestierten, standen den Saarhütten nur 20 Milliarden zur Verfügung, wogegen
bei Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten eine Summe von
145 Milliarden notwendig gewesen wäre.185 Unter dem Druck des internationalen
Eisenbedarfs - Koreakrise, Forderung der USA nach Steigerung der Stahlerzeu¬
gung in Westeuropa - wurde die Drosselung der saarländischen Eisen- und
Stahlerzeugung aufgehoben und die Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten
freigegeben. Die nun einsetzenden Investitionen betrafen vorwiegend Erneue¬
rungen, nur zu einem geringen Teil neue Anlagen. Georges Thedrel als Seques¬
terverwalter beider Hütten war darauf bedacht, die Werke in gutem Zustand zu
halten, aber außer den Vorarbeiten für ein neues Walzwerk in Völklingen (Nau-
weiler Gewann) tätigte er keine Investitionen. Zur Verfügung standen außer
ERP-Mitteln nur die bescheidenen Mittel der Selbstfinanzierung.186
Demontagen erfolgten im Saarrevier im Gegensatz zum rheinisch-westfalischen
fndustrierevier nicht.18' Bekanntlich wurden dort die demontierten Werke und
Maschinen infolge des wachsenden Ost-West-Gegensatzes bald durch moderne
ersetzt, die rationeller arbeiteten und zum Vorsprung der westdeutschen Industrie
gegenüber Ländern mit älteren Anlagen führten. Zu letzteren gehörte das Saar¬
land, dessen Hütten teilweise noch mit in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
zurückreichenden Anlagen und Maschinen arbeiteten.188
!85 Meinen (Anm. 16), S. 481-485.
186 Frühauf (Anm. 5), S. 128.
187 Zur Frage der Demontagen in der Saarindustrie vgl. Heinen (Anm. 16), S. 117 und
Werner Bosch, Die Saarfrage. Eine wirtschaftliche Analyse. Heidelberg 1954, S. 35.
188 Vgl. Anm. 152.
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