genügen. Der vorgestellte technische Ausrüstungsstand war abhängig von
Investitionen, wobei sowohl die Fähigkeit der einzelnen Unternehmen in die
Saarhütten zu investieren als auch ihre Bereitschaft zu berücksichtigen sind. Die
politische und wirtschaftliche Großwetterlage der 1920er und 1930er Jahre
drückte auf die Investitionsbereitschaft der Anteilseigner. Die französischen
Aktionäre waren nicht gewillt, in Werke stärker zu investieren, deren Anteile sie
nach Ablauf der fünfzehnjährigen Mandatsverwaltung durch den Völkerbund
vielleicht abzugeben gezwungen sein könnten.164 Zwischen 1935 und 1939
bewirkte die Erwartung eines deutsch-französischen Krieges, der das Saarrevier
zum Schlachtfeld werden lassen könnte, gerade bei auswärtigen Teilhabern
Zurückhaltung.165 Die folgende etwas ausführlichere Darstellung der Eigentums¬
wechsel soll deren investitionshemmende Wirkung verständlich werden lassen.
Vor dem ersten Weltkrieg dominierte die eingesessene Unternehmerfamilie
Stumm in der saarländischen Eisen schaffenden Industrie. Ihr gehörte nicht nur
das Neunkircher Eisenwerk, Stumm war auch hauptbeteiligter Kommanditist an
der 1875 gegründeten Kommanditgesellschaft Haiberger Hütte, die 1908 in eine
GmbH umgewandelt wurde. Zur Stummgruppe gehörten das 1891 angefahrene
Hochofenw'erk in Uckange, Erzgruben in Lothringen und Anteile an
der Dillinger Hütte. In Konkurrenz zu ihr stand die Familie Röchling mit der
Völklinger Hütte, der Kokerei in Altenwald, der Carlshütte in Thionvil-
le/Diedenhofen, der Grube Hostenbach als einziger Privatgrube im preußischen
Teil des Saarreviers sowie Erz- und Kohlengruben im damals deutschen und
französischen Teil Lothringens. Französische Aktionäre waren beteiligt an der
Dillinger Hütte (42,5%), Luxemburger an der Burbacher Hütte, die seit 1911 zu
dem luxemburgischen ARBED-Konzern166 gehörte, und am St. Ingberter Eisen¬
werk,167 das 1905 mit der Rümelinger Hochofengesellschaft fusionierte. Im Laufe
des Jahres 1919, noch vor Inkrafttreten des Versailler Vertrags, wurden die Wei¬
chen gestellt, um die Saarhütten in Aktiengesellschaften mit französischen Mehr¬
heiten umzuwandeln. Aufgrund eines von der französischen Regierung kon¬
struierten Junktims waren dies vornehmlich die Firmen, die den enteigneten Be¬
sitz saarländischer Unternehmen in Lothringen erworben hatten.168 Auf diese
164 ln Neunkirchen wurden in der Zeit der französischen Mehrheitsbeteiligung Kapitalien für
den weiteren Ausbau des Werks nicht bewilligt.
165 Solche Überlegungen werden in der Literatur zuweilen angesprochen, harren aber noch
einer auf Quellen fundierten Aufarbeitung. Für Baden mit ähnlicher geopolitischer Situation
vgl. Roland Peter, NS-Wirtschaft in einer Grenzregion. Die badische Rüstungsindustrie im
Zweiten Weltkrieg, in: Regionale Eliten zwischen Diktatur und Demokratie. Baden und
Württemberg 1930-1952, hrsg. von Cornelia Rauh-Kühne u. Michel Ruck. München 1993.
166 Zur Entstehungsgeschichte der ARBED vgl. ARBED (Anm. 3), S. 31-36.
167 Jacques Maas, La participation des intérêts belges à l’industrie sidérurgique
luxembourgeoise et sarroise (1860-1914), in: Wandlungen (Anm. 2), S. 333-352.
168 Ausführlicher hierzu Cartellieri (Anm. 24), S. 235-239 und die Veröffentlichung der
beiden französischen Pazifisten Louis u. Lucien Launay, La Sarre et les Marchands de
Canons. Vaucresson 1934. Dort auch Angaben über die Zusammensetzung der Aufsichtsräte.
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