Bruders Karls VI. von Frankreich, im Jahre 1407.121
Beide aber verfügten erstaunlicherweise über Manuskripte mit Berichten über
(G 17) la destruction du Roy Richard dangleterre,
(14 a) la destruction du Roy dangleterre,
wohl beide über das Ende des berüchtigten englischen Königs Richard III., der
1485 in der Schlacht von Bosworth gegen Heinrich Tudor den Tod fand.122
Es bleibt die Literatur (vgl. auch oben Nr. 36), die nicht immer - besonders im
Bereich der Heldensage - von der Historie zu trennen ist. Auch hier war die
Bibliothek von Michiel Chaversson ebenso wie die seines Schwiegervaters gut
,bestückt4, freilich lassen sich beider Interessen und Geschmäcker doch deutlich
unterscheiden. Chaversson blickte rückwärts auf die Zeit des jetzt schon
romantisch sich verklärenden Helden- und Ritterromans.123 Er sammelte
121 Ludwig, Herzog von Orléans (geb. 1372), war nach dem Ausbruch des Wahnsinns bei
seinem Bruder, König Karl VI. von Frankreich, und dem Tode Herzog Philipps des
Kühnen von Burgund (t 1404) der mächtigste Mann des Königreichs. Der burgundische
Herzog Johann ohne Furcht, sein ärgster Rivale, ließ ihn am 23. 11.1407 in Paris durch
ein Aufsehen erregendes Attentat ermorden. Könnte sich etwa die burgundische
Verteidigungsschrift zur Mordtat, verfaßt von Jean Petit (t 1411) - beginnend mit den
Worten .. .sur le fait de la mort du duc d'Orléans ... - oder eine Gegenschrift hinter dem
Titel des Verzeichnisses verbergen. Solche Schriften zirkulierten, da es um vorgeblichen
Tyrannenmord ging, sehr zahlreich, u. a. auch in Metz. Vgl. Douet d’Arcq, L.:
„Documents inédits sur l’assassinat de Louis d’Orléans“, in: Annuaire-Bulletin de la
Société de l’Histoire de France 1864, S. 6-26;, Paul, Raymond: „Enquête du prévôt de
Paris sur l’assassinat de Louis, Duc d’Orléans (1407)“, in: Bibliothèque de l’École des
Chartes 26 (1865), S. 215-249; Coville, Alfred: Jean Petit. La question du tyrannicide au
commencement du XVe siècle, Paris 1932, besonders S. 406f.; Guenée, Bernard: Un
meurtre, une société. L’assassinat du duc d’Orléans, Paris 1992; Autrand, F., in:
Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1991), Sp. 2197f.
122 In der Bibliothek Michiel Chaverssons war der liure de la destruction du Roy dangleterre
zusammengebunden auec les epistres et ewangiles des Saincts, also einem Lektionar ,de
Sanctis*. Da das Buch aus dem Besitz des François de Goumay unter Hinzufügung des
Königsnamens den gleichen Titel trug, darf man wohl von der Identität beider Werke
ausgehen. Eher als auf den 1399 abgesetzten und 1400 unter ungeklärten Umständen
gestorbenen Richard II. dürfte sich das Buch auf das spektakuläre Ende Richards III., des
duke of Gloucester, der sich nach Einkerkerung und Beseitigung der königlichen Prinzen
Eduard V. und Richard von York, am 26. Juni 1483 krönen ließ und von Heinrich Tudor
zwei Jahre später geschlagen und getötet wurde, beziehen. Das Ereignis wurde von der
Tudor-Regierung publizistisch ausgeschlachtet. Vgl. Hanham, Alison: Richard III. and
his Early Historians (1483-1535), Oxford 1975; Griffiths, R.A., in: Lexikon des
Mittelalters, Bd. 7 (1994), Sp. 812f.
123 Vgi dazu Rischer, Christelrose: Literarische Rezeption und kulturelles Selbstverständnis
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