Der Landauer Baumeister klagte über den schleppenden Verkauf von Gelände
im ehemaligen Festungsbereich.24 In Beifort mußten die von der Stadt hoch
angesetzten Preise für die Grundstücke im Stadterweiterungsgebiet vor der
Westfront, im sogenannten Quartier Carnot, nach einigen Jahren bis um die
Hälfte gesenkt werden, um Käufer zu finden.25 Bis heute ist ein ganzer Bau¬
block des Erweiterungsgebiets unbebaut und wird deshalb als Park und Spiel¬
platz genutzt. In Schlettstadt schließlich dauerte es Jahrzehnte, bis die Ring¬
straße fertiggestellt werden konnte, von einer durchgehenden Bebauung nicht
zu reden.
Hier offenbaren sich die Schwächen der öffentlichen Stadtplanung, die den
Bedarf oft falsch einschätzte, weil sie viel zu sehr eigenen Wunschvorstellungen
nachhing. Meist wird auf den hohen Entwicklungsstand der städtischen
Planungen während des Deutschen Kaiserreichs zwischen 1871 und 1914 ver¬
wiesen. Frankreichs Städte erscheinen demgegenüber zurückgegeblieben. Ganz
falsch ist das nicht, aber es ist nur die halbe Wahrheit. In der Tat war aufgrund
der sehr viel geringer ausgeprägten kommunalen Selbstverwaltung in Frank¬
reich - vor allem die fehlende Hauptamtlichkeit des Bürgermeisters war hier
entscheidend - die städtische Planung nicht so ausgeprägt wie im Deutschen
Reich. Doch diese Lücke hinterließ kein schwarzes Loch, sondern wurde
ausgefüllt durch eine überaus rege private Planungs- und Bautätigkeit. Diese
Bebauung war nicht koordiniert und wirkte daher „chaotisch“. In Beifort ist
dies bis heute zu erkennen. Baufluchtlinien oder Bauvorschriften gab es nicht;
erst 1927 wurden die Privatstraßen in das Eigentum der Gemeinde überführt.26
Wesentlich aber war, daß bei dieser privaten Produktion von Stadt keine
Probleme mit der Bodenspekulation auftraten. Denn Bauterrain gab es in
ausreichendem Maße, da jeder Eigentümer sein Gelände anbot. In den beplan-
ten deutschen Städten dagegen war dies eines der schwerwiegendsten und in¬
tensiv debattierten Probleme, vor allem in Berlin. Dort hatte der Stadterweite¬
rungsplan nach 1863 zu einer Verknappung des bebaubaren Geländes geführt
und damit die Grundstückspreise in die Höhe getrieben. Dies verursachte den
Bau der berühmten „Mietskasernen“, die von der Stadtplanung nicht erwünscht
waren und als soziales Problem erschienen. In Frankreich waren solche
Probleme ziemlich unbekannt, übrigens auch im durch den Code Napoléon
geprägten Rheinland, wo bis in die 1870er/1880er Jahre hinein wie in Frank¬
reich eine weitgehend ungeplante private Stadtproduktion stattfand.27
24 Vgl. Schech 1912, S. 24. — Stadtarchiv Landau AII/171, Bezirksamt Landau an
Bürgermeisteramt Landau, 19.6.1873.
25 Vgl. Archives Municipales Belfort 1N5, Verkaufsakten zu Grundstücks-Losen 8, 9-12,
28, 67, 83-87.
26 Vgl. L’Oeuvre de la Municipalité Belfortaine 1929, S. 26. - Belfort. Dix Années de
Réalisations 1935, S. 5-7. - Vgl. auch Biehler 1994, Bd. 3, S. 34.
27 Vgl. dazu grundlegend Fehl 1992.
43