tern, warum und wie die Festungsstädte ihre Mauern abschütteln wollten.
Zweitens gehe ich der Frage nach, was sie an die Stelle der alten Werke und
Wälle setzten. Drittens schließlich möchte ich erklären, wie parallel zu den
Planungen sich allmählich der öffentliche und private Wohnungsbau
entwickelte.
1.
Die Vaubanschen Festungswerke störten die Städte zunehmend. 1865 richteten
230 Bürger von Schlestadt - so der damalige offizielle französische Name der
erst 1920 in Selestat umbenannten Stadt, die während der deutschen Zeit zwi¬
schen 1871 und 1918 Schlettstadt hieß - eine Petition an Napoleon III. Sie ba¬
ten den Kaiser um die Aufhebung der Festungseigenschaft ihrer Stadt. Die um¬
fangreichen Festungsanlagen empfanden die Schlestadter als „lourde chaine“.
Einen Schutz konnten sie darin nicht mehr erkennen. Statt dessen fühlten sie
sich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stark eingeschränkt.5
Die einengende Wirkung lag nicht nur an den Festungsanlagen selbst, sondern
ebenso an dem Bauverbot im Rayonbezirk, also um die gesamte Stadt herum.
Außerdem wurden im wahrsten Sinn des Wortes abends mit Einbruch der
Dunkelheit die Tore der Stadt geschlossen.6
So wie in Schlestadt beklagten sich auch die Bürger von Landau über ihre
Verteidigungswerke. Nach dem Ausbau als Festung war die Stadt bis 1815
französisch geblieben und wurde anschließend Teil der nun bayerischen Pfalz.
Zudem erhielt Landau den Status einer Bundesfestung des Deutschen Bundes.
Wie die Schlestadter bemühten sich die Landauer vor dem Deutsch-französi¬
schen Krieg um ihre Entfestigung, „denn die Festungen sind ein Fluch für die
Städte des Handels und der Industrie, deren natürliches Wachsthum, deren in¬
dustrielle Entwicklungen sie hemmen zum Nachtheil der Städte und der Bürger
und zum großen Schaden des Nationalvermögens.“ In allen deutschen Staaten
waren Städte wie Köln, Stettin oder Danzig bis eben zu kleinen Städten wie
Landau um die Entfestigung bemüht. 1869 versammelten sich Delegationen
dieser Städte, um eine breitere Öffentlichkeit auf die „Noth der Festungs¬
gemeinden zu lenken.“ Sie sahen nicht ein, in besonderer Weise Verteidigungs¬
lasten zu tragen, die dem Gesamtstaat zugute kamen.7
Vgl. Archives Municipales Sélestat 115/3, Pétition à l’Empereur, 11.8.1865.
Vgl. etwa für Landau Range 1990, S 16. - Erst am 14.10.1865 erlaubte die bayerische
Regierung, die zwei Landauer Stadttore auch nachts offenzuhalten (vgl. Raithel/Übel
1989, S. 63). Während des Deutsch-französischen Krieges wurde die Schließung jedoch
wieder eingeführt (vgl. Schech 1912, S. 4).
Vgl. Stadtarchiv Landau AI/171, Himmelspach 1870, S. lf.
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