tes und bestelltes Land einfach die künstliche Rekonstruktion einer vollends
verblaßten Metapher: Im Kompositum , Mischkultur‘ scheint die Erinnerung an
eine Erdkultur im Gegenteil noch präsent: „Mischkultur“ bedeutet: „[...] der
gleichzeitige Anbau mehrerer Nutzpflanzenarten gleicher oder verschiedener
Produktionsrichtung in der Reihe (z.B. Möhre und Porree), in Zwischenreihen
(z.B. Lein und Sojabohnen, Ölbaum und Weinrebe), in Streifen (z.B. Trocken¬
reis und Bataten oder Mais), als Etagenkultur (z.B. Banane und Kaffee oder
Tee) oder als Unterkultur (z.B. Grünland oder Gemüse unter Obsthoch¬
stämmen).“3
Wenn dieser Lexikoneintrag etwas zeigen kann, so ist es die Tatsache, daß der
Übertragung solcher Muster auf die Literatur unter anderem strukturelle
Grenzen gesetzt sind. Eine Analogie zwischen biologischer Mischkultur und,
zum Beispiel, dem „kulturellen Mix“, der heute viele moderne Romane aus¬
zeichnet, herstellen zu wollen, mag wissenschaftlich unseriös erscheinen, aber
vielleicht veranschaulicht der Versuch ja, was hier gemeint ist: Angesichts einer
postkolonialen Literatur, in der man im selben Text zwischen Bombay und
London herumreist (man lese Salman Ruhdies Satanische Verse), tropische
Eindrücke mit Erfahrungen aus der Megapolis verbindet oder europäische
Sprache mit indischen Sprachbrocken mischt, muß unser Vergleich in
Schieflage geraten - um vom Begriff „Unterkultur“ ganz zu schweigen. Anders
gewendet: Die Kombination entfernterer Kulturen - sagen wir nordeuropäische
Zuckerrüben und karibische Papayafrucht - dürfte agrarwirtschaftlich zum
Problem werden. Der postkoloniale Roman jedoch vermag - im Gegensatz zur
Flora - Entfernungen leicht zu überbrücken. Wieder bildlich gesprochen: er ist
Zuckerrübe und Papaya in einem.
Man mag mir die kleine Spielerei konzedieren, denn sie hat, wie schon
angedeutet, einen kritischen Hintergrund. Bilder und Metaphern zeichnen sich
gerade dadurch aus, daß sie analytisch unpräzise und doch zugleich aussage¬
kräftig und suggestiv sind. Man könnte auch umgekehrt sagen, daß Definitionen
immer etwas Unzulängliches haben, eben deshalb weichen wir in die
Bildersprache aus. Jedenfalls beobachte ich seit geraumer Zeit, daß inter¬
kulturelle Konstellationen unterschiedlichster Prägung, daß Einflüsse und
Berührungen, Kontakte, Konflikte, Mischungen usw., die mit Kultur bzw.
Kulturen zu tun haben, durch Paraphrase mit Hilfe von Bildern aus anderen
Wissensbezirken auf gleichsam gefällige, einfühlende Weise ins Bewußtsein
gehoben werden.
Daß solche Verfahrensweisen durchaus Tradition haben, mögen zwei histori¬
sche Beispiele demonstrieren. Das erste stammt von Henry James. Im Vorwort
zu The Ambassadors spricht der Autor von den Empfindungen, die seinen
Meyers Enzyklopädisches Lexikon 1976, Bd. 16, S. 302.
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