Peter Heil
Von befestigten Grenzstädten zu bürgerlichen
Kleinstädten.
STADTUMBAU IN LANDAU, SELESTAT UND BELFORT
ZWISCHEN 1871 UND 1914
Einführung
„Wie bekommen die Menschen Luft?“1, fragte sich 1868 ein Hauptmann aus
Hannover, der in die Festungsstadt Magdeburg versetzt worden war. Damit
hatte er ein neues Lebensgefühl ausgesprochen. Die großen Festungsmauem der
Stadt wurden nicht mehr als Schutz vor dem Feind, sondern als hemmende
Einengung verstanden.2
Dieses Problem trieb nicht nur die Stadt Magdeburg, sondern sehr viele
Festungsstädte in Europa um. Es ist klar, daß solche Festungen vor allem an
den Grenzen der großen Staaten anzutreffen sind. Vor allem gibt es sie auch im
deutsch-französischen Grenzraum. Im Rahmen eines weitergreifenden Projekts
zur Stadtentwicklung in dieser Region an der Universität des Saarlandes unter
der Leitung von Rainer Hudemann3 habe ich kleine Festungs- und Gamisons-
städte und ihre Entwicklung nach dem Deutsch-französischen Krieg von
1870/71 bis etwa 1930 untersucht.4 Einigen zentralen Fragen dieser For¬
schungen möchte ich im folgenden nachgehen.
Spielte im von Deutschland 1871 annektierten sogenannten „Reichsland Elsaß-
Lothringen“, also dem Elsaß und dem Departement Moselle, der Wechsel der
nationalen Zugehörigkeit eine wichtige Rolle? Was wollten die Städte errei¬
chen, warum wollten sie ihre Schutzanlagen los werden und was sollte an ihre
Stelle treten? Um solche Fragen zu klären, möchte ich Sie nach Landau in der
Pfalz, nach Selestat und nach Beifort entführen. Alle drei Städtchen waren von
Festungsbaumeister Vauban unter Ludwig XIV. zu stattlichen Festungen ausge¬
baut worden. Auf drei Punkte konzentriere ich mich: Erstens möchte ich erläu¬
1 Zit. nach Lüdtke 1981, hier S. 31.
2 Vgl. Wehler 1995, S. 511. - Reulecke 1985, S. 30f. - Für Landau Range 1990, S. 16.
3 Vgl. vor allem Cornelißen/Fisch/Maas 1997. - Hudemann/Walter 1997. -
Hudemann/Wittenbrock 1991.
4 Vgl. Heil 1999.
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