Zur Entstehungsgeschichte der unierten Kirchen in Polen und
Siebenbürgen
Im Vorfeld der Skizzierung des Beitrags der Kirchen zur Nationsbildung soll
zunächst auf die Entstehung dieser Kirchen zurückgeblendet werden. Das her¬
ausragende Motiv für die kirchlichen Unionen war das Verlangen nach Einheit.
In den Konzilien des 15. Jahrhunderts lebte das Ziel der kirchlichen Wieder¬
vereinigung erneut auf. Zwar konnte die auf dem Konzil von Florenz 1439
konzipierte Union aller orthodoxen Kirchen des Ostens mit Rom in der Praxis
nicht realisiert werden, dafür gelangen aber in den folgenden Jahrhunderten
zumindest mehrere Teilunionen. Neben theologischen waren dafür auch
politische Motive, die hier im Vordergrund stehen sollen, ausschlaggebend.
Die Unionen kamen jeweils in jenen Regionen des polnischen Königreiches und
der Habsburgermonarchie zustande, die zu den Neuerwerbungen zählten und
politisch noch integriert werden mußten. Ihnen kam eine strategische
Bedeutung für die beherrschende politische Macht zu. Die Unionen bedeuteten
zugleich auch die Hinwendung dieser Kirchen zu einem neuen Oberhaupt und
somit die Abwendung von Moskau und Konstantinopel.17
Ostmitteleuropa gewann im Zuge des großen mittelalterlichen Landesausbaus
und der Angleichung dieser neuen Territorien an den west- und mitteleuropäi¬
schen Kulturraum Latein-Europas an Konturen. Am östlichen Rand des östli¬
chen Mitteleuropa lagen die Königreiche Polen-Litauen und Ungarn, die zwar
als politisch unabhängige Nationen erhalten geblieben waren, aber dennoch
westeuropäische Strukturen übernommen hatten.
Im 14. Jahrhundert gelang es Polen erstmals, sich nach Osten über die alten
Herrschafts- und Siedlungsgebiete auszudehnen. Es war aber auch zugleich die
letzte große Ausdehnung in den Osten Europas. Und dabei handelte es sich
nicht mehr vorrangig um heidnische Gebiete, sondern um Regionen, die bereits
seit langem christlich waren. Polnische Königs- und Adelsherrschaft wurde
über ruthenische Bevölkerung errichtet, die sprachlich und konfessionell fremd
war. Durch die Eingliederung ostslavischer orthodoxer bäuerlicher Bevölkerung
und Adelsmacht wurde die Kulturgrenze nach Osteuropa hin flüssig. Bei dem
17 Für die Ruthenen Polens siehe Ammann, Albert M.: Abriss der ostslawischen Kirchen¬
geschichte, Wien 1950, S. 203-204; vgl. allgemein Suttner, Emst Christoph: „Kirche und
nationale Identität in Europa zur Zeit der Osmanenherrschaft über Südosteuropa“, in:
Ostkirchliche Studien 43 (1994), S. 43-52; Turczynski, Emanuel: Konfession und Nation.
Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen Nationsbildung, Düsseldorf 1976,
S. 11-12.
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