sichert). Die Einstellung zur Sprache ist im Obersorbischen im allgemeinen
positiver, was sich unter anderem in bewußterer Sprachverwendung und in
Sprachpflege äußert. Auch die Verbindung von Sprache und Kultur (ins¬
besondere auf dem Gebiet der Traditionspflege) wird im Obersorbischen
stärker gesehen.31 Gesamtsorbische Institutionen sind ausnahmslos obersorbisch
dominiert. Die häufig geäußerte Abwehr und Abgrenzung gegenüber dem
Obersorbischen unter vielen Sorben/Wenden der Niederlausitz schließlich ist
ein Hinweis darauf, daß sie sich durch die auf sprachlichem und kulturellem
Gebiet aktiveren Obersorben bevormundet fühlen.
3.1.3. Neben den sprachlichen Differenzen gibt es vor allem noch politische
und konfessionelle. Die Sorben/Wenden der Niederlausitz verstehen sich als
Brandenburger resp. Preußen, während die Obersorben sich zu Sachsen gehörig
fühlen (und das auch in den Gebieten, die 1815 von Sachsen an Preußen
abgetreten wurden).32 Des weiteren spielt die Zugehörigkeit zu unterschied¬
lichen Landeskirchen eine Rolle. Im obersorbischen Gebiet kommt dazu noch
der Gegensatz zwischen katholischen und evangelischen Sorben: da das heutige
Kemgebiet von katholischen Sorben bewohnt wird, verstehen sich diese als die
„echten“ Sorben, die als einzige das sorbische Erbe richtig bewahren.
3.2. Eine Sprachinsel kann und wird sich in der Regel nicht vollständig von der
anderssprachigen Umgebung abschotten. Das bedeutet, daß die umgebende
Sprache auch in die Insel hineinwirkt. Bei einer Sprachinsel, die gegenüber der
Umgebung zurückweicht, läßt sich eine gerichtete Entwicklung im sprachlichen
Verhältnis im Laufe der Zeit feststellen. Die Entwicklungsschritte entsprechen
ungefähr der Generationenfolge und laufen deshalb innerhalb weniger Gene¬
rationen ab. Dabei ist allerdings das Verhältnis der Sprachen zueinander in
unterschiedlichen Zusammenhängen durchaus verschieden; ebenso verläuft die
Entwicklung unterschiedlich.
3.2.1. Ausgangspunkt der Entwicklung ist die vollständige oder zumindest
weitgehende Einsprachigkeit der sprachtragenden Bevölkerung im Sprachgebiet
(S). In der Lausitz ist diese Situation in einem kompakten Gebiet bis ins 19.
Jahrhundert hinein gegeben. Sie geht allmählich über in eine zunächst passive
Zweisprachigkeit (S + [D]). Diese Entwicklung beginnt in der Lausitz eher
zaghaft im 18. und verstärkt sich im 19. Jahrhundert. Diese ersten beiden
Entwicklungsstufen sind heute nicht mehr vertreten. Die nächste Stufe ist die
31 Im niedersorbischen Gebiet kann man Wende bzw. Sorbe sein, ohne sorbisch zu
sprechen, was im obersorbischen Raum kaum denkbar ist. Juristisch ist das in beiden
Gebieten möglich, da sowohl das sächsische als auch das brandenburgische Gesetz für
die Volkszugehörigkeit das heute im allgemeinen übliche Bekenntnisprinzip zugrunde
legen, wobei das Bekenntnis frei ist und weder bestritten noch nachgeprüft werden darf.
32 Vgi. dazu die aufschlußreichen Ausführungen in Blaschke 1999.
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