Département Moselle gemeldet (vgl. Abb. 2). Im Mittel haben sie merklich hö¬
here Einkommen als die französischen Nachbarn und werden angelockt von bis
zu 50% billigeren Immobilien und bis zu 30% niedrigeren Steuersätzen. Nicht
folgen können wir Ramm bzw. dem SESGAR, wenn sie den Aussagen der be¬
fragten Saarländer vertrauen, sie seien „essentiellement“ übergesiedelt, um das
zu stark urbanisierte Saarland gegen den noch naturnahen Raum Lothringens
mit seiner höheren Lebensqualität einzutauschen. Dagegen erscheinen die
Aussagen der vor Ort befragten Bürgermeister realistischer, die zu 70% die fi¬
nanziellen Vorteile für ausschlaggebend halten. Gefördert wird die Umsiedlung
auf die andere Seite außerdem durch günstige Straßenverbindungen mit dem
Saarland, wo die weitaus meisten ihren Arbeitsplatz beibehalten. Eindeutig
konzentrieren sich die Wohnsitze der Deutschen auf die unmittelbare Nähe der
Grenze, und de facto findet hier eine Expansion des saarländischen Ballungs¬
raumes über die Grenze hinweg statt (vgl. Abb. 2). Dieser Prozeß hat sich seit
der zweiten Hälfte der 80er Jahre beschleunigt: 1998 lag die Zahl der
Deutschen in Moselle-Est bei knapp 12.000, sie war damit doppelt so hoch wie
1985. Zwischen 1988 und 1994 wurden rund 15% aller Hauskäufe durch
Saarländer getätigt!
Diese nicht mehr zu unterschätzende Minderheit „mischt“ sich also unter die an¬
sässige lothringische Bevölkerung - mischen sich deshalb auch die Kulturen?
Daran muß gezweifelt werden. Nach Ramm (1999b, S. 113) ist es „eine beson¬
dere Herausforderung, einen grenzüberschreitenden Raum zu ordnen, in dem
Spannungen zwischen Deutschen und Franzosen fortbestehen“. Denn der Zuzug
führt in der Regel zu erheblichen Problemen: die Immobilien werden dadurch
teurer, für die weniger kaufkräftigen Einheimischen also weniger erschwing¬
lich. Häufig entstehen neue Wohnviertel quasi exclusiv für Saarländer außer¬
halb des alten Ortes, was eine Gettobildung begünstigt, zumal die Neu-
zugezogenen weder großes Interesse an nachbarlichen Kontakten noch am
Gemeindeleben zeigen. Vielmehr behalten sie neben ihren Arbeitsplätzen auch
die gesellschaftlichen Bindungen ins nahe Saarland. Sie schicken in der
Mehrzahl ihre Kinder dort zur Schule, besonders aufs Gymnasium, und versor¬
gen sich überwiegend auf der deutschen Seite der Grenze, sieht man von der
Bevorzugung französischer Restaurants und französischer Lebensmittel (ins¬
besondere Käse, Meeresfrüchte und Wein) in französischen Verbraucher¬
märkten ab.
Problematisch ist nicht zuletzt, daß sich 80% der befragten Saarländer als inte¬
griert betrachten, wogegen 86% der befragten lothringischen Bürgermeister
dies nur wenig oder überhaupt nicht gegeben sehen. Nach Ramm (1999a und b)
ist ihre Integration nur begrenzt, und es kommt sehr schnell zur Bildung zweier
getrennter Gemeinschaften, Mosellaner und Saarländer, die, obwohl sie
Nachbarn sind, kaum Kontakt miteinander haben.
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