gebieten und nicht dem Kernland stammen, ist umstritten,54 In den ersten
Jahrhunderten war Palmyra nach Osten und damit zur „parthischen Kunst“ hin
orientiert.55 Spätestens mit dem militärischen Eingreifen Roms im Vorderen
Orient im 1. Jahrhundert v. Chr. öffnete man sich für Einflüsse aus dem
Westen. Belege für diese Entwicklung sind die großen öffentlichen Bauten, in
denen sich der durch den Handel in die Stadt geflossene Reichtum dauerhaften
Ausdruck verschaffte. Der 32 n. Chr. eingeweihte Bel-Tempel beispielsweise
verbindet griechischen Grundriß und orientalische Breitraumcella zum
beeindruckendsten Gebäude der Stadt.56
Doch nicht allein die Sakralarchitektur kombinierte unterschiedliche künst¬
lerische Einflüsse. Die Grabkultur der Palmyrener zeigt in den Anlagen und
den für diesen Anlaß geschaffenen Portraitdarstellungen die Synthese aus
einheimischen, östlichen und westlichen Vorbildern.57 Die Männer der
palmyrenischen Oberschicht tragen parthische Tracht: Reiterhosen, langer
Reitermantel, reich verzierte Jacken und Kopfbedeckungen.58 Zugleich,
teilweise auf demselben Monument, lassen sich griechische Gewandformen
erkennen, ohne daß es des Verweises auf unterschiedliche Schichten, Anlässe
oder Entstehungszeiten bedarf.
Auch das Pantheon Palmyras erscheint wie die Widerspiegelung der ethnischen
und kulturellen Genese der Oasenstadt. Als Handelsplatz, an dem sich Vertreter
unterschiedlicher Völker und Anhänger verschiedener Religionen trafen, bot
Palmyra die Voraussetzung für die Ausbildung eines religiösen Synkretismus.
Durch das Fehlen einer mythologischen und kultischen Literatur bleiben zur
Rekonstruktion der religiösen Verhältnisse allein die Namen der Götter, ihre
Ikonographie und die archäologischen Zeugnisse ihrer Heiligtümer, um
Rückschlüsse auf ihren Ursprung und die Veränderungen, denen sie im Laufe
der Geschichte Palmyras unterworfen waren, zu ziehen. Für die Triade der
bedeutendsten Gottheiten Malakbel, ‘Agliböl und Yarhiböl läßt sich feststellen,
daß sie die religiösen Überzeugungen unterschiedlicher Gruppen des Nahen
Ostens zusammenführte. Der einheimische Gott Malakbel, dem der Hauptkult
der Stadt galt, verdankte seinen Namensbestandteil -bei spätem babylonischem
54 Zur parthischen Kunst: Gail 1998; Schlumberger 1969, zur palmyrenischen Colledge
1976; Franz 1987a.
55 Seyrig 1950.
56 Browning 1979, S. 99-128; Franz 1987, S. 203.
57 Die Änderung in der Dekoration der Grabanlagen bei Schmidt-Colinet 1997.
58 Curtis 1998.
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