seinem Vortrag „Slavische Inseln im deutschen Meer - Grenzräume ohne
Grenzen als Paradigmen für ,Mischkultur‘?“. Am Beispiel des Sorbischen, der
einzigen noch erhaltenen slavischen Sprachinsel in deutschsprachiger Um¬
gebung, wurde deutlich, daß Sprachinseln grundsätzlich die Gefahr droht, vom
Meer „verschluckt“ zu werden. Mischung, obwohl in der asymmetrischen
Situation der Sprachinsel unausweichlich, ist dabei lediglich der erste Schritt
zur vollständigen Assimilation. Deswegen ist es nicht erstaunlich, daß kulturelle
Mischung in diesem Kontext auch heute noch eher kritisch gesehen wird. Das
südöstliche Grenzgebiet des slavischen Sprachraums war Thema des Vortrags
von Alicja Nagörko „Kresy - ein typisches Beispiel für die Vermischung von
Kulturen?“. Sie zeigte auf, daß diese Gebiete, die Kresy genannt werden, in
vielem ein Pendant zur amerikanischen Vorstellung von Frontier bilden. Im
Gegensatz zu letzteren entsteht in ihnen aber keine echte Mischkultur, da die
Kresy sich als „Bollwerk des christlichen Glaubens“ stärker gegen die Kulturen,
mit denen sie in Berührung kamen, abschotteten. Ein typisches Beispiel von
Mischung im konfessionellen Bereich behandelte Hans-Christian Maner:
„Unierte Kirchen als Kirchen der Grenzräume und Nationsbildung“. Die
unierten Kirchen, eine Erscheinung Ostmitteleuropas, bilden eine Brücke
zwischen römisch-katholischer Kirche einerseits und orthodoxen Kirchen
andererseits. Sie haben aber im Laufe der Zeit auch eine eigenständige
Entwicklung durchgemacht. Sowohl Brückenfunktion als auch eigenständige
Entwicklung ermöglichten es den unierten Kirchen, im Nationsbildungsprozeß
in Galizien und Transsilvanien eine bedeutende Rolle zu spielen.
Die besondere Situation von Grenzgebieten schlägt sich natürlich auch in der
Literatur nieder. Ein Beispiel dafür ist das literarische Schaffen von Walter
Scott, wie Walter Göbel in seinem Vortrag „Grenzziehungen/Grenz¬
aufhebungen in Walter Scotts Waverley“ zeigte. Nicht nur beschreibt Scott im
genannten Roman das Schwanken des Helden zwischen britischer und
schottischer Identität; er ist selbst auch ein Beispiel für solche Dualität und hat
nicht unwesentlich zur (erneuten) Schaffung der Highlander-Identität und ihrer
Symbole beigetragen. Bemerkenswert ist, daß diese doppelte Identität ohne
größere Schwierigkeiten gelebt werden konnte und kann. Im deutsch-slavischen
bzw. deutsch-französischen Grenzraum sind die Verhältnisse wesentlich
komplexer und die Vorbehalte gegenüber Mischung stärker. Dies belegte
Günter Scholdt in seinem Beitrag „Grenzkultur als Politikum. August Scholtis
und andere“. Die Schriftsteller, die bewußt die Mehrsprachigkeit von Grenz¬
gebieten auch in ihren Werken nutzten, hatten oft gegen ästhetische (und
politische) Vorurteile anzukämpfen. Erst die neuere Generation der Elsäßer und
Lothringer Schriftsteller geht völlig unbefangen mit der Mehrsprachigkeit um
und kann ihr sogar eine neue Literarizität abgewinnen. Teilweise auf einer
Metaebene beschrieb schließlich Manfred Schmeling „Mischung als Konzept.
Ein Aspekt kultureller Grenzüberschreitung in Kulturwissenschaft und
literarischer Praxis“. Dabei wird das Konzept der kulturellen Mischung nicht
nur in seiner literarischen Umsetzung behandelt, sondern auch in der
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