Kulturkreises jenseits der politischen Grenzen des Imperiums zu untersuchen.
Vom Ende der Republik bis zum Ausklang der Spätantike existierte unter
dieser Maßgabe nur ein dem Römischen Reich kulturell ebenbürtiger Gegner.
In der Auseinandersetzung um die Weltherrschaft zwischen dem Römischen
und dem Persischen Reich schärfte sich das Bewußtsein der Einzigartigkeit der
je eigenen Zivilisation. Einer der wichtigsten Wege des Austausches zwischen
beiden Mächten war der Handel, der mit den Waren auch Ideen, Werte und
Techniken über weite Strecken transportierte.
Palmyra/Tadmor - so der griechische bzw. semitische Name - war in der
zwischen Rom und Persien heftig umkämpften syrisch-mesopotamischen
Region wichtigster Umschlagplatz für Luxusgüter aus Ost und West. Die Lage
an der Efqa-Quelle im Wüsten- und Steppengebiet brachte es mit sich, daß
Seßhafte und Nichtseßhafte hier zusammentrafen. Durch die Lebensweise
bedingt, hatten beide Gruppen unterschiedliche soziale, wirtschaftliche und
religiöse Formen ausgebildet. In der Oase trafen somit zwei „Kulturgrenzen“
aufeinander, die für den gesamten syrisch-mesopotamischen Raum prägend
waren.
Im folgenden sollen in erster Linie die sozialen und politischen Auswirkungen
der Grenzlage auf Palmyra untersucht werden. Hinzu kommen die sich u.a. aus
der Multiethnizität ergebenden Einflüsse auf Architektur, Kunst und Religion.
Besondere Beachtung wird dabei der für die politische Geschichte der Oase
literarisch am besten dokumentierte Zeitabschnitt, die Herrschaft des
Odaenathus, Vaballathus und der Zenobia, finden.
1. Der Osten des Römischen Reiches
Nach der Schlacht bei Issos 333 v. Chr. bot der unterlegene persische
Großkönig Dareios III. Alexander d. Gr. die Abtretung aller achaimenidischen
Herrschaftsgebiete westlich des Euphrats an.3 Nach der Ablehnung der Offerte
und dem sich anschließenden Eroberungszug bis zum Indus erweiterte der
Makedonenkönig sein Herrschaftsgebiet und schuf den Raum, in dem sich eine
neue, aus griechischen und orientalischen Wurzeln gespeiste Kultur entwickeln
konnte. Wenngleich die Nachfolgestaaten seines Reiches militärisch von
äußeren Feinden überwunden wurden, so gaben sie doch das hellenistische Erbe
an die Eroberer weiter.
Die der Seleukidendynastie im Westen verbliebenen Gebiete wurden durch
Pompeius 64 v. Chr. in die Provinz Syria umgewandelt. Mit der Neuordnung
gab Rom seinem Engagement im östlichen Mittelmeer einen administrativen
Rahmen. Durch die hinzugekommenen Territorien entwickelte sich ein Neben-
Arr. anab. 2,25; Zähmt 1994.
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