Die Vorträge, die am Symposium gehalten wurden, untersuchten sehr unter¬
schiedliche Grenzgebiete und die verschiedensten Ausprägungen von Kultur
daraufhin, ob und in welcher Form Mischung festgestellt werden kann. Als
aktueller Einstieg, der gleichzeitig dem genius loci Tribut zollte, diente der
Vortrag von Wolfgang Brücher und Peter Dörrenbächer „Grenzüberschreitende
Beziehungen zwischen dem Saarland und Lothringen - Ausdruck einer Misch¬
kultur?“ Auf der Grundlage von umfangreichem Material und von eigenen
Erfahrungen kamen die Autoren zum ernüchternden Ergebnis, daß eher von
einem Neben- als von einem Miteinander gesprochen werden muß und im
wesentlichen wirtschaftliche Überlegungen hinter den Grenzüberschreitungen
stehen. Von einer Mischkultur kann kaum die Rede sein, ihre Entstehung in der
Zukunft ist aber nicht ausgeschlossen.
Eine Gruppe von drei Vorträgen verblieb ebenfalls im deutsch-französischen
Grenzraum, brachte aber die historische Dimension mit in die Betrachtung ein.
In seinem Vortrag „Von befestigten Grenzstädten zu bürgerlichen Kleinstädten.
Stadtumbau in Landau, Selestat und Beifort zwischen 1871 und 1914“
beleuchtete Peter Heil die Entwicklung von drei früheren Festungsstädten, die
alle von Vauban ausgebaut worden waren. Je eine verblieb dauerhaft bei
Deutschland (Landau) bzw. Frankreich (Beifort), während die dritte (Selestat)
im Ergebnis des deutsch-französischen Kriegs 1871 zu Deutschland kam, aber
nach dem ersten Weltkrieg wieder an Frankreich fiel. In allen Fällen waren die
Festungsanlagen durch die Entwicklung der Waffentechnik überflüssig
geworden, doch verlief die Entfestigung und die Nutzung der neu zur
Verfügung stehenden Flächen je anders. Auch hier scheint es im Grenzgebiet
selbst zu keiner grenzüberschreitenden Mischung gekommen zu sein.
Grenzüberschreitendes gab und gibt es aber im sprachlichen Grenzgebiet, und
zwei Beiträge vermochten das für die Vergangenheit in Fallstudien zu belegen.
Der Vortrag von Wolfgang Haubrichs „Das Bibliotheksverzeichnis eines Metzer
Patriziers aus dem 16. Jahrhundert als Zeugnis doppelter Kulturkompetenz“
zeigte, daß in Metz, obwohl Zentrum frankophoner Kultur im östlichen
Frankreich, das Deutsche durchaus eine Rolle spielte. Es war dabei sowohl
Sprache der Literatur (belegt etwa durch Ritterromane) als auch der
alltäglichen Praxis (vgl. Formularbücher). Eine bewußte Ausgrenzung der
benachbarten Sprache scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben. Mit ihrem
Beitrag „Schreibsprachgeschichte im Sprachgrenzbereich - Reflex einer
,Mischkultur*? Methodische Überlegungen zu Entwicklungen des 13. und 14.
Jahrhunderts mit Bezug auf die lothringische Herrschaft Boulay/Bolchen“ trug
Martina Pitz aufgrund einer erschöpfenden Urkunden-Analyse zum besseren
Verständnis der Sprachwahl (Deutsch bzw. Französisch) in einem sprachlichen
Grenzgebiet bei. Auffällig ist hier vor allem, daß die Sprachwahl für die
Urkunden nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich von den Verhältnissen auf
der Ebene der gesprochenen Sprache abhängt. Vielfach scheint der rituelle
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