sehen Gepflogenheiten kaum selber übersetzt oder gar geschrieben. Schriftverkehr war an
einem Grafenhofe Sache von bediensteten Spezialisten. Konnte sie überhaupt genügend
gut Deutsch, um solch verhältnismäßig flüssig geschriebene Prosa, wie sie uns in ihren
Chanson de geste-Übersetzungen vorliegt, verfassen zu können?
Die Fragen sind sicherlich berechtigt, doch für die literarhistorische Bewertung nur von
begrenzter Relevanz. Selbst wenn ein anderer, ein Gehilfe vom Schlage des Conrad
Heyndörffer, die Übersetzungen vorbereitet oder verfaßt hätte, so muß es doch einen
kleineren oder größeren Anteil Elisabeths an den Prosatexten gegeben haben, und sei es
nur der Anteil der Anregung und Überwachung. Das Kolophon der im Auftrag ihres
Sohnes entstandenen ,Loher und Maller'-Handschrift hebt Elisabeths Anteils hervor
{durch sich selbs). Diese Aussage gewinnt noch stärkeres Gewicht, indem sie aufgrund der
Datierung der Entstehung der Handschrift durch Hans-Walter Herrmann auf 1455/56
nicht als Meinung der folgenden Generation aufzufassen ist, sondern eventuell noch in
den letzten Lebensmonaten Elisabeths selbst oder kurz nach ihrem Tode niedergeschrie¬
ben wurde. Die von ihrem Sohn Johann 111. veranlaßten, mit Wappen ausgezeichneten
Prachthandschriften lassen sich ferner nur als ein Akt der Memorierung jener literarischen
Tat verstehen, die vom Saarbrücker Hof ihren Ausgang nahm und selbst das Kolophon
der Handschriften, die die Tochter Margarethe veranlaßte, gedenkt unmittelbar nach der
Mitteilung der ,Verdeutschung' der Mutterschaft der vorgenanten jrauwen Ely^aheth von loth¬
ringer (Abb. 18) so daß auch hier der Gedächtnis und Nachfolge stiftende Charakter der
Abschrift deutlich wird. Und was heißt — vor allem am Rande des französischen Kultur¬
raumes —, Hochadlige ,dichten' nicht? Ist nicht unter anderen gerade Elisabeths Bruder
Antoine, der französische Gedichte verfaßte, ein leuchtendes Gegenbeispiel? Mit allen
Einschränkungen und im Bewußtsein eines keineswegs allein von personaler und indivi¬
dueller Urheberschaft geprägten spezifisch mittelalterlichen Autorkonzepts dürfen wir
auch weiterhin wohl von den literarischen Werken Elisabeths sprechen.
Sprache und Stil dieser Werke, auch die Frage ihrer Einheitlichkeit, sind nach den Ansät¬
zen, die wiederum Liepe gab, wenig untersucht worden, was durchaus auch mit der man¬
gelhaften Editionslage zusammenhängt. Eine dialektgeographisch vergleichende die raren
Zeugnisse des Frühneuhochdeutschen des rheinfränkischen, sprachgrenznahen Raumes
einbeziehende Untersuchung der Graphemik, des Lautstandes und des Wortschatzes ist
ebenso ein Desiderat wie eine Untersuchung des spezifischen Sprachstils dieser Texte
lerne auf. Er stützt seine Ansicht über die mangelnden Deutschkenntnisse Elisabeths auf einen Brief der
Gräfin an René von Anjou, in dem sie ihn auf eine spätere ausführliche Antwort in einer strittigen Ange¬
legenheit vertröstet, weil ihr im Augenblick die Amtleute, Räte und andere Personen fehlten, die solche
brieffe %u dutschem verstentnisse brengen mochten. Der Brief ist bemerkenswerterweise in Deutsch geschrie¬
ben. Wenn es sich nicht überhaupt um einen diplomaüschen Versuch des Zeitgewinns handelt, um nicht
dem wartenden Boten, wie René erbat, eine Antwort mitgeben zu müssen, so bleibt vor allem festzustel¬
len, daß es sich hier ja um die französischen Briefe des Anjou handelt, die zu deutschem Verständnisse4
zu bringen waren. Es kann sich also wohl nur um Probleme der Fachterminologie gehandelt haben, wel¬
che die Gräfin nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte. Es heißt mhd. diutschen ja auch in einem
allgemeineren Sinne „erklären“. Vgl. auch Hans-Walter Herrmann in diesem Band, S. 94. u. 97£; von
Bloh (wie Anm. 13), Abschnitt 1.
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