Renés Sohn und Statthalter Ludwig gebeugt, wobei er es hinnehmen mußte, daß Elisa¬
beths Sohn Johann den bei der Erbteilung von 1442 auf ihn übergegangenen Anteil an
der Herrschaft Commercy mit dem Château-Bas dem Statthalter verkaufte190. Damit wur¬
den die Anjou in die Lage versetzt, den wichtigsten Stützpunkt des alten Störenfrieds
durch eigene Leute kontrollieren zu lassen.
Wenig später erschien König Karl VII. zum zweiten Mal in Lothringen. Der am 28. Mai
1444 in Tours abgeschlossene Waffenstillstand mit England191 hatte den König in die Lage
versetzt, diesmal ein nach Ansicht deutscher Beobachter unübersehbar großes Heer gen
Osten zu führen192. Über das Ziel der Operation haben viele Zeitgenossen gerätselt, und
auch Historiker der Gegenwart sind zu unterschiedlichen Einschätzungen gekommen193.
Als gesichert kann gelten, daß Karls VII. Hauptstoß in die Region vorgetragen wurde, auf
die sich die Expansionspläne Philipps des Guten richteten, wo der Burgunder nur wenige
Monate zuvor, im November 1443, mit der Eroberung Luxemburgs einen seiner größten
militärischen Erfolge erzielt hatte194. An der antiburgundischen Tendenz von Karls VII.
Feldzug kann mithin kaum gezweifelt werden.
Davon abgesehen aber gab es Komponenten des Vorgangs, die in eine fernere Zukunft
wiesen: Zum ersten Mal wurden die Metzer mit der Forderung konfrontiert, den König
von Frankreich als ihren Herrn anzuerkennen195, zum ersten Mal wurde der Rhein ernst¬
haft als Grenze des Königreichs ins Auge gefaßt196, und die bis dahin zum Besitz der Met¬
zer Kirche gehörende Stadt Epinal wurde der Herrschaft von Frankreichs Krone unter¬
worfen197. Von ebenso weitreichender Bedeutung, und zwar nicht nur für die Militärge¬
190 François-Vivès: „Les seigneurs de Commercy“ (wie Anm. 127), T. 2, S. 135 nach BN Coli. Lorraine Bd.
295, f. 129.. Der enorme Kaufpreis von 42 000 fl. läßt ahnen, welche Bedeutung dem Saarbrücker Anteil
an der Herrschaft über Commercy beigemessen wurde. Vgl. Thomas: „Philipp“ (wie Anm. 10), S. 42 mit
einem Fehler: Es war Johann, nicht also Philipp, der den Saarbrücker Anteil am Erbe mitsamt dem da¬
zugehörenden Teil von Commercy übernommen hat. Vgl auch den Beitrag von Herrmann in diesem
Band S. 105-107.
191 Text: Cosneau: Les grands traités (wie Anm. 85), S. 152 ff.
192 Marot, Pierre: „L’expédition de Charles VII à Metz (1444-1445), documents inédits“, in: BEC 102
(1941), S.109-155. Schon am 6. Juli 1443 hatte der König seine Baillis von Chaumont und Vitry angewie¬
sen, die Bürger von Metz daran zu hindern, weiterhin die Abtei Gorze zu behelligen, vgl. Urk. Nr. 1, S.
141 ff.
193 Ein Teil des Heeres zog unter dem Dauphin Ludwig ins Elsaß und durch die burgundische Pforte gegen
die Eidgenossen. Karl VII. konnte sich dabei auf eine Bitte König Friedrichs berufen. Vgl. dazu die
Schreckensmeldungen in Deutschland über die „Armen Jecken“ d. h. die Armagnacs, wie sie immer
noch benannt wurden: Deutsche Reichstagsakten, Bd. 17, 2, hg. v. Walter Kaemmerer, Göttingen 1962, Nr.
225 ff., S. 467 ff.
194 Vgl. Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 276 ff.
195 Marot: „L’expédition“ (wie Anm. 192), vgl. bes. Quelle Nr. 2, S. 145 ff., Nr. 4, S. 152 ff.
196 Marot: „L’expédition“, S. 137 f. Dazu Hübinger, Paul Egon: „Die Anfänge der französischen Rheinpoli¬
tik als historisches Problem“, in: HZ 171 (1951), S. 21-45; dazu wiederum Miller: Jakob von Sierck (wie
Anm. 149), S. 148 mit Anm. 302.
197 Marot: „L’expédidon“, S. 137 f.
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