Full text: Zwischen Deutschland und Frankreich

einem vom Kniefall vor seinem künftigen Herrn sich erhebenden Vasallen verübt worden 
war. 
Die burgundische Expansion und ihre Auswirkungen im Raum westlich der Graf¬ 
schaft Saarbrücken 
Herzog Philipp hatte mit dem Vertrag von Troyes den Einfluß auf die Zentrale des Kö¬ 
nigreichs Frankreich eingebüßt, den sein Großvater ganz selbstverständlich ausgeübt und 
sein Vater mit allen Mitteln zu wahren versucht hatte. Wenn die von Philipps Chronisten 
Enguerrand de Monstrelet notierte Nachricht zutraf, wonach Heinrich V. auf dem Toten¬ 
bett seinen Leuten geraten habe, die Regentschaft in Frankreich dem Herzog von Bur¬ 
gund anzubieten, und dieser die Offerte abgelehnt hätte, dann wären Philipps in den fol¬ 
genden Jahren erzielte Erfolge das Ergebnis einer bewußten Abwendung von der auf 
Frankreichs Zentrale gerichteten Politik seiner Vorgänger gewesen164. Manches spricht für 
eine solche Einschätzung, indes haben die burgundischen Chronisten der Zeit Philipps 
des Guten doch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie ihren Herrn zur Familie der Köni¬ 
ge Frankreichs rechneten, und haben ihm keine Ambitionen zugeschrieben, seinen Herr¬ 
schaftsbereich in ein eigenständiges, von Frankreich unabhängiges Reich zu verwandeln, 
dessen Ansatz sich in § 28 des Vertrags von Arras abzeichnete165. 
Die Basis für einen solchen Staat hatte Philipp just in der Zeit zwischen dem Vertrag von 
Troyes und dem Frieden von Arras geschaffen oder doch in entscheidendem Maße aus¬ 
gebaut. Als väterliches Erbe hatte er 1419 übernommen:166 das Herzogtum Burgund mit 
der Freigrafschaft gleichen Namens im Süden, die Grafschaft Flandern im Norden. Hinzu 
kamen nunmehr167: die unter Ludwig dem Bayern an die Wittelsbacher gefallenen Graf¬ 
schaften Hennegau, Holland, Seeland und Friesland (1428/32), die Grafschaft Namur 
(1429), sowie die Herzogtümer Brabant und Limburg (1430). Der Gewinn des Herzog¬ 
tums Luxemburg, das von einer Nichte Kaiser Siegmunds regiert wurde, schien nur noch 
eine Frage der Zeit168. Zumeist übersehen wird, daß Bedford nach den Niederlagen gegen 
die Pucelle Anfang 1430 dem Burgunder die Grafschaft Champagne zu Lehen übertragen 
hat169. Das Bild, das eine Karte dieses burgundischen Länderkonglomerats dem Betrachter 
vor Augen führen würde, ließe deutlich werden, welche Konzession Philipp dem Mörder 
164 Monstrelet. Chronique (wie Anm. 102), Bd. 4, S. 110. 
165 Zingel: Frankreich (wie Anm. 106), bes. S. 228 ff. Vgl. noch die in Anm. 172 zitierte Literatur. 
166 Hinzuzurechnen sind einige kleinere Herrschaften, vgl. generell Vaughan: Philip the Good, S. 29 ff., Kapi¬ 
tel „Conquest and Expansion 1420-1433“. 
167 Zu Hennegau, Holland, Seeland vgl. Vaughan: Philip the Good (wie Anm. 1), S. 31 ff.; zu den Vorgängen 
um 1432 vgl. S. 50; zu Namur: S. 29 f; zu Brabant und Limburg: S. 51 f. 
168 Zu Luxemburg bis 1439 vgl. Miller: Jakob von Sierck (wie Anm. 149), S. 30 f.; Heimann, Heinz-Dieter: 
Zmschen Böhmen und Burgund. Zum Ost-Westverhältnis innerhalb des Ferritorialsystems des Deutschen Bleiches in 15. 
Jahrhundert, Köln, Wien 1982, S. 65 ff. 
169 Williams: Bedford (wie Anm. 86), S. 182. Die Belehnung im Namen Heinrichs VI. fand am 8. März 1430 
statt. 
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