sen Magiers, der nun selbstlos für die hilflose Mutter und ihr Kind sorgt; die komische,
mit treuem Heldenherzen und dickem Knotenstock bewaffnete Heroengestalt des hilfrei¬
chen Bauern Warakir.
Über sich selbst hinaus weist Elisabeths Sibyllenhistorie durch die genealogische Notiz
des Schlusses. Nachdem Karl seine Gattin und seinen Sohn Ludwig in die Arme geschlos¬
sen hat, die Verräter am Galgen gehängt wurden, heißt es:
Also wart könig Karl und sin husfrouwe wolgesünt und gewonnen darnach eynen sone der wart ein keyser
yu Rome und wart genant lohir. darnach gewonnen sye ein dochter, die wart ein Gräffyn yu pontus, die
gewan eynen sone hiesy isenbart. der was der; den sin vetter könig ludewig verjagete usy allen Crysten lan¬
den als ir hernach werdent hören.
Genau diese Geschichte erzählt Elisabeth in ihrer dritten Übersetzung — , L o h e r und
M a 11 e r ‘. Erneut nimmt die Geschichte ihren Ausgang vom Hofe des nun schon alten
Karls. Der jüngere Sohn Karls nämlich, Loher, nam in allen tugenten yuo / und was geil undfrö-
lich. Damit geviele er den frawen so wol / day sie in so lib gewunnen day es die ritterschafft ser verdroß
gemein lieh. Die erzürnten Väter der verführten Töchter klagen Loher an und erreichen sei¬
ne Verbannung. Damit nimmt die Handlung ihren Anfang und wird in drei Teilen organi¬
siert. Der erste Teil spielt das Motiv vom getreuen und ungetreuen Freund durch: Loher
wird durch einen Verräter gefangen genommen, mit Hilfe des treuen Gesellen Maller aber
befreit und schließlich sogar König von Konstantinopel. Der zweite Teil variiert das Mo¬
tiv von den „feindlichen Brüdern“: Inzwischen ist nämlich König Karl gestorben und
Ludwig hat seinen Platz eingenommen, den er auch dem rückkehrenden Loher nicht
räumt. Der Erbstreit der Brüder wird vom Papst geschlichtet: Ludwig soll französischer
König bleiben, Loher wird Kaiser von Rom. Die bösen Räte Ludwigs, identisch mit den
einstmals betrogenen Vätern, entmannen Loher, angeblich aus Rache, in Wahrheit jedoch
aus staatspolitischen Gründen; die Entmannung soll den Nachkommen Ludwigs auch das
Kaiserreich sichern. Umsonst: sie wissen nicht, daß Loher im Orient bereits einen Sohn
hat, Marphone, den König von Griechenland. Nach wechselvollem Kampf schlagen Lo¬
her, sein Freund Maller und Marphone gemeinsam die Verräter, die hingerichtet werden.
Nach einem Intermezzo, in dessen Verlauf Loher seinen unerkannten Freund Maller im
Zweikampf tötet und damit einen Rachefeldzug der Verwandten Maliers auslöst, verkün¬
det der Papst eine neue Weltordnung, welche Lohers Nachkommen vom Kaisertum aus¬
schließt. Frankreich soll Erbkönigtum bleiben, das Kaiserreich aber soll eine Wahlmonar¬
chie werden, in der stets der Stärkste und Beste zum Herrscher gekürt wird. Hier gab das
Epos eine Antwort auf die noch die Zeitgenossen Elisabeths bewegende „Frage, wie es
denn zu erklären sei, daß die römische Kaiserwürde und die französische Königswürde
nicht mehr wie bei Karl dem Großen auf einen Monarchen vereinigt sind, andererseits das
Königum noch weiter, das Kaisertum aber nicht mehr auf Erbfolge beruhte“ (Gaston Pa¬
ris).
Der dritte Teil des ,Loher und Mallerc-Epos, der stoffgeschichtlich auf die alte chanson von
,Gormond et Isembard4 zurückgeht, wird von den Interpreten oft nur als Anhängsel be¬
trachtet, doch genau hier, im Kampf des Neffen Isembard gegen den legitimen König
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