müht405. Aus Burcherts Sicht befinden sich die Helden in Elisabeths Prosaauflösungen
„genau am Übergang von der auf Körperkraft und Abstammung basierenden feudalen
Gesellschaftsformation und der Institutionalisierung, die den frühneuzeitlichen Hof cha¬
rakterisiere.“ Beispielhaft ist für ihn die Entwicklung des Romanhelden Hug Scheppel, der
im Laufe der Zeit seine Körperkraft und seine sexuelle Potenz, seine Tapferkeit und
Schönheit und seine direkten Affektäußerungen zu verbinden lernt mit höfischen und ra¬
tional gesteuerten Verhaltensweisen406. Die mir bekannten Quellen reichen nicht aus, um
derartige Veränderungen am Saarbrücker Hof von Philipp zu Elisabeth und Johann zu
belegen. Den Erfolg dieses von Elisabeth realisierten Erziehungsideales kleidet er in die
Worte „Johann entsprach in seinen Regierungsqualitäten dem Leitbild, das den Prosafas¬
sungen seiner Mutter immanent ist“ 407 - eine Aussage, die sich vermutlich auf die Anga¬
ben Ruppersbergs zu Graf Johann stützt, aber durch eine Untersuchung auf breiter archi-
vaüscher Basis überprüft werden müßte.
Wolfgang Haubrichs faßt den Epenzyklus „als Akt der Ansippung an den französischen
Spitzenahn“, den ersten kapetingischen König Hugo, als Akt der aktualisierenden memo¬
ria, des Gedenkens auf. Tatsächlich läßt sich Elisabeths Vorfahrenreihe über Marie von
Blois, Herzogin von Lothringen, und Karl von Valois auf die Kapetingerdynastie zurück¬
führen408.
Elisabeths jüngere Kinder Johann und Margarethe nahmen die literarischen Interessen der
Mutter auf. Von Johann wird berichtet, er habe 1437 in St. Denis nördlich von Paris einen
Hugscheppel-Text kopiert - richtiger ist wohl, kopieren lassen - und der Mutter mitge¬
bracht409. Später als selbständiger Regent ließ er von ,Loher und Malier', ,Sybille£, ,Hug-
scheppeP und ,Herpin£ großformatige, mit vielen Miniaturen ausgeschmückte Handschrif¬
ten anfertigen. Die Forschung setzte bisher ihre Entstehung in die Zeit von 1459 bis
1472. Aufgrund von heraldischen Kriterien läßt sich die Entstehung der ,Loher und Mal-
ler£-Handschrift410 auf 1455/56 eingrenzen. Auf Folio 1 recto linke Spalte oben ist ein
Wappen in eine kalligraphisch gestaltete D-Initiale eingefügt, der vierfeldrige Wappen¬
schild zeigt rechts oben und links unten einen rot gekrönten goldenen Löwen in mit gol¬
denen Schindeln bestreutem blauen Feld (= Nassau) und links oben und rechts unten ei¬
nen gold gekrönten silbernen Löwen in mit goldenen Kleeblattkreuzen bestreutem blau¬
em Feld (= Saarbrücken-Commercy). Das Wappen enthält noch nicht den Herzschild mit
den heraldischen Emblemen von Loen-Heinsberg (rechts gekrönter silberner Löwe auf
Rot, links geteilt oben Gold und Rot geschacht, unten zwei goldene Balken in Rot). Un¬
405 Burchert (wie Anm. 19), S. 51 ff. u. 145.
406 Ebd., S. 55.
407 Ebd., S. 48.
408 Haubrichs, Wolfgang: „Die Kraft von franckrichs Wappen. Königsgeschichte und genealogische Motivik in
den Prosahistorien der Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken“, in: Der Deutschunterricht 43
(1991) Heft 4 S. 4-17.
409 Liepe (wie Anm. 16) S. 20, 85, 99f., 104 und 139). Vgl. auch Sauder in diesem Band S. 573.
410 Staats- u. Universitätsbibliothek Hamburg Cod.ll in scrinio.
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