1430er Jahren konnte er infolge seiner burgundischen Gefangenschaft längere Zeit nicht
in seinen Landen sein, 1438/42 wandte er sich der Durchsetzung seiner Ansprüche auf
das Königreich Neapel zu, seit 1443 residierte er vornehmlich in seinen Schlössern im An¬
jou und in der Provence. Die Verwaltung der Herzogtümer Bar und Lothringen überließ
er anfangs seiner Gattin Isabella, einer Cousine Elisabeths, später dann seinen Söhnen
Ludwig und Johann. Im Herbst 1444 und Frühjahr 1445 hielt er sich längere Zeit in Nan¬
cy auf, richtete dort die Hochzeit seiner Tochter Margarethe mit König Heinrich VI. von
England aus und veranstaltete ein großes Turnier. In dieser Zeit wurde er nicht von einem
Mitglied der nassau-saarbrückischen Familie aufgesucht, sondern einer der rete undfrunde
dorthin geschickt, um die Notwendigkeit eines wirksamen Schutzes gegen die damals im
Land liegenden Armagnakenhaufen vorzutragen402. In späteren Jahren dürfte es zu per¬
sönlichen Begegnungen Renés mit Elisabeths jüngerem Sohn gekommen sein; denn René
nahm Johann in den 1448 von ihm gestifteten Ordre du Croissant auf. Das Aufnahmedatum
gibt Ruppersberg mit 1455 an403. Die Ordensstatuten sahen vor, daß sich alle Mitglieder
jährlich am Festtag des Ordenspatrons, des Heiligen Mauritius, in der ihm geweihten Ka¬
pelle im südlichen Querhaus der Kathedrale von Angers treffen und an den beiden fol¬
genden Tagen zum feierlichen Ordenskapitel versammeln sollten404. Es darf angenommen
werden, daß Graf Johann diese Präsenz Verpflichtung nicht gänzlich unbeachtet gelassen
hat, sondern trotz der großen Entfernung zwischen Saarbrücken und Angers manchmal
an dem Kapitel teilgenommen hat und dabei René begegnet ist. Es könnten dabei Ge¬
spräche über literarische Interessen oder Anfertigung von illuminierten Handschriften ge¬
führt worden sein.
Die Frage nach Elisabeths Intention bei der Übertragung der Chansons de Geste wurde
von der älteren Germanistik pragmatisch beantwortet; eben weil Elisabeth dem franzö¬
sischen Sprach- und Kulturbereich entstammte und ihre Mutter schon literarisch tätig
war, habe sie sich damit befaßt. Bernhard Burchert dagegen, weist den vier Epen einen
besonderen Stellenwert bei der Erziehung von Elisabeths jüngerem Sohn Johann zu. Sie
habe mit den Werken den Wandel von ritterlich-traditionellen Wertvorstellungen zu ei¬
nem sich an den ökonomischen Gegebenheiten orientierenden realitätsangemessenen
Verhalten dem Sohn veranschaulichen wollen und sich dabei gleichzeitig um eine literari¬
sche Selbstverständigung des Adels über die Regierung der frühneuzeitlichen Höfe be¬
iden. Es steht in direkter Nachfolge des Roman de la Rose. Dem deutschsprachigen Leser vermittelt einen
ersten Eindruck René d’Anjou: Vorn liebentbrannten Herren, eingeleitet und erläutert von Franz Unterkir-
cher, Graz 1975, bibliophile Ausgabe: König, Eberhard: Das liebentbrannte HerDer Wiener Codex und der
Maler Barthélemy d'Eyck.
402 Instruktion (wie Anm. 276). Graf Johann III. erscheint nicht unter den Teilnehmern der von Christian
de Mérindol: Les fêtes de chevalerie à la cour du roi René. Emblématique, art et histoire (les joutes de Nancy, le Pas de
Saumur et le Pas de Tarascon), Paris 1993, bearbeiteten Turniere,
403 Ruppersberg (wie Anm. 9), S. 225. Die Mitgliedschaft des Grafen Johann III. wird belegt durch die
Wappendarstellung in der Loher-und-Maller-Handschrift (vgl. Abbildung 19 und Erläuterung in diesem
Band S. 122f).
404 Perrier, E.: Les chevaliers de 1‘ordre du Croissant, Paris 1906, vgl. auch Levron, Jacques: Le bon roi René, Paris
1973, S. 161-170.
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