kulturellen Typus am stärksten - etwa zwischen Frankreich und Deutschland - ver¬
körpern.
Streicht man alle ethnologischen Elemente einer Sonderkultur aus dem
soziologischen Typus des Grenzgängers weg und faßt ihn theoretisch unter der
Prämisse von Gesellschaften, die sich im Modemisierungsprozeß befinden, dann
darf man die Vermutung wagen, daß das so verstandene Grenzgängertum eine
spezifisch moderne Lebensform repräsentiert. Die Ortsbezogenheit, die in den
bisherigen Gesellschaften den Normalfall ausmacht, wird jetzt vom Grenzüber¬
schreitenden zwar nicht aufgegeben, jedoch relativiert. Wieweit die Gemeinschaft
im Herkunftsraum für individuelle und soziale Identitätsbildung noch ausschlagge¬
bende Einflüsse besitzt, oder ob die im Zuge der Grenzüberschreitung entstandenen
neuen sozialen Beziehungen für soziale Einstellungen und Verhalten bestimmend
werden, gälte es zu untersuchen. Ich bin der Meinung, daß Grenzgängertum eine
neue Existenzform darstellt. Diesbezüglich ist es interessant, daß nach den
vorliegenden empirischen Untersuchungen die lothringischen Grenzgänger und
Grenzgängerinnen zu einem Teil bereits aus Familien stammen, in denen
grenzgängerisches Handeln Tradition hat. Dieser Personenkreis erfüllt meines
Erachtens die für einen empirisch überprüfbaren Typus wichtigen Kriterien und stellt
einen Modellfall für Mentalitätsveränderungen in sich permanent modernisierenden
Gesellschaften dar.
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