Die Kündigung des Arbeitgebers könnte gleich aus mehreren Gründen unwirksam
sein. Zunächst ist der Betriebsrat nicht angehört worden. Eine ohne Anhörung des
Betriebsrats erfolgte Kündigung ist aber nach deutschem Recht gern. § 102 Abs. 1
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unwirksam. Eine Anhörung des Arbeitnehmers
vor der Kündigung ist nach deutschem Recht nicht erforderlich29. Nach französi¬
schem Recht muß hingegen die ordentliche Kündigung vorher mit dem Arbeitneh¬
mer besprochen werden. Zur Besprechung der Kündigung muß der Arbeitnehmer un¬
ter Angabe des Kündigungsgrundes schriftlich aufgefordert werden30. Bei Nichtein¬
haltung dieses Verfahrens ist die Kündigung nicht unwirksam. Das Gericht ordnet
aber die Nachholung der Formalitäten an und billigt dem Arbeitnehmer eine Entschä¬
digung in Höhe bis zu einer Monatsvergütung zu31. Was die Anhörung des Arbeit¬
nehmers vor der Kündigung betrifft, sind französisches und deutsches Recht unter¬
schiedlich gestaltet. Wie hier die Kollision zwischen den beiden Rechtsordnungen zu
lösen ist, entscheidet - wie bereits angedeutet - das internationale Arbeitsrecht, das
Teil des internationalen Privatrechts ist.
Nach Art. 3 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) be¬
stimmen bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen
Staates die Art. 4 ff. EGBGB, welche Rechtsordnungen anzuwenden sind. Soweit al¬
lerdings Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen bestehen, die unmittelbar
anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, gehen diese Regelungen den Re¬
gelungen des EGBGB vor. Anders formuliert: Gibt es völkerrechtliche Vereinbarun¬
gen, ist insoweit das EGBGB, also das internationale Arbeitsrecht, nicht anwendbar.
Solche völkerrechtlichen Regelungen sind etwa der EG-Vertrag. Für die Lösung un¬
seres Beispielsfalles gibt es solche Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen aller¬
dings nicht.
Es gilt daher Art. 27 Abs. 1 EGBGB. Danach unterliegt der Vertrag dem von den Par¬
teien gewählten Recht. Hier haben die Parteien französisches Recht gewählt. Also
unterliegt der Vertrag französischem Arbeitsrecht32. Allerdings darf nach Art. 30
Abs. 1 bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen die Rechtswahl der Parteien
nicht dazu fuhren, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch
zwingende Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels Rechtswahl anzu¬
wenden wäre. Es muß also jetzt die Frage gestellt werden, welches Recht anwendbar
wäre, wenn in unserem Falle die Parteien nichts über das anzuwendende Recht ver¬
einbart hätten. Darüber, welches Recht mangels Vereinbarung anzuwenden ist, gibt
Art. 30 Abs. 2 EGBGB Auskunft. Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeits¬
verhältnisse mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitneh¬
mer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er
vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Etwas anderes ergibt sich aller¬
29 Vgl. BAG, Urt.v. 15.11.1995, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 89.
30 Vgl. Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, 3. Aufl. 1994, S. 209;
Langer/Fehrmann, Praxis des französischen Arbeitsrechts, 10. Aufl. 1995, S. 38 ff; Ranke,
Arbeitsrecht in Frankreich, 1995, Rn. 263.
31 Langer/Fehrmann, a.a.O., S. 52; Ranke, a.a.O., Rn. 266.
32 Wegen Art. 35 Abs. 1 ist das deutsche internationale und nicht das französische internatio¬
nale Privatrecht anwendbar - vgl. auch Art. 4 EGBGB.
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