wichtige Verkehrssprache in Saar-Lor-Lux sein wird, wurde von einer großen Mehr¬
heit mit Ja beantwortet, es gab aber auch einige ablehnende Äußemngen aus Frank¬
reich und Belgien. Die nationalsprachlich Orientierten sprachen sich überraschen¬
derweise am wenigsten gegen das Englische aus. Es hat den Anschein, daß Englisch
mittlerweile dem Gerangel der Nationalsprachen um regionale Einflußgebiete entwi¬
chen und in die alte Rolle des Latein geschlüpft ist.
Daß es wichtiger sei, Englisch zu lernen als die Sprache des Nachbarn, wurde von ei¬
ner großen Mehrheit der befragten Grenzgänger verneint. Ein auffälliger Unterschied
bestand bei den Einstellungen zu dieser Aussage zwischen den Geschlechtern: Nur
eine Frau, aber etwa ein Viertel der Männer postulierten einen Vorrang für das Engli¬
sche beim Sprachenangebot.
Die verschiedenen Altersgruppen zeigten keine auffälligen Unterschiede bei der
Sprachenwahl und den Spracheinstellungen. Da alle befragten Grenzgänger der
Nachkriegsgeneration angehören, ist eher mit einem langsamen Wandel als mit auf¬
fälligen Brüchen zu rechnen. Interessante Unterschiede ergaben sich jedoch bei einer
Unterteilung der Gruppe nach der beruflichen Qualifikation.15 Die schlechter Ausge¬
bildeten stimmten den sprachpolitischen Forderungen eher zu als die besser Ausge¬
bildeten und waren auch dem Englischen gegenüber aufgeschlossener. Dies mag auf
den ersten Blick überraschen, doch da Bildungs- und Berufsabschlüsse immer noch
in nationalen Systemen erworben werden, übernehmen die Erfolgreichen wohl auch
national geprägte Einstellungsmuster während ihrer Ausbildung. Sie haben infolge
einer stärkeren Ideologisierung oder Politisierung größere Probleme, gedanklich den
sprachenpolitschen Status quo an die sprachlichen Realitäten, das heißt den mehr¬
sprachigen Arbeitsmarkt in Saar-Lor-Lux, anzupassen.
Ganz deutlich unterschieden sich die Geschlechter in ihren Spracheinstellungen. Im
Gegensatz zu den Männern sahen die Frauen Dialekt nicht in erster Linie als eine von
Alten gesprochene Sprachvariante an, und sie beurteilten auch die Zukunft der Dia¬
lekte optimistischer. Pessimistische oder restriktive Äußerungen kamen fast aus¬
schließlich von Männern, während die befragten Frauen sich für eine Zweisprachig¬
keit in allen Bereichen aussprachen. Über die Ursachen der geschlechtsspezifischen
Einstellungsmuster kann an dieser Stelle nur spekuliert werden, da sich aus den Fra¬
gebögen keine weiteren Informationen ergaben: Vielleicht sehen Frauen die Spra-
15 Das Bild vom Grenzgänger als niedrig qualifiziertem ‘Aussteiger’, so noch Bufe (wie Anm.
9) S. 98, ist im Wandel. Unter den 44 Antworten kamen 5 von Grenzgängern mit hoher,
meist universitärer Ausbildung, und diese gehörten allesamt zur jüngsten Altersgruppe
(Jahrgänge 1960-1975).
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