fragt. Bewußt wurde ohne konkrete Vorgaben nur allgemein nach Sprachen und Dia¬
lekten gefragt, um die Eigenbezeichnung der Sprach- und Dialektgruppen zu erfah¬
ren. Falls in einer dieser Sprachdomänen mehrere Sprachen angegeben wurden, soll¬
te die Häufigkeit der Verwendung präzisiert werden.
Die germanophonen lothringischen Grenzgänger bezeichneten ihre Sprache als
Deutsch, Platt, Lothringer Platt, Dialekt oder im Norden als Luxemburgisch, nie als
Francique oder Fränkisch. Die von Regionalisten eingefiihrte und mittlerweile auch
bei Politikern gängige Bezeichnung ist jedenfalls noch nicht volkstümlich gewor¬
den.11 Die Eigenbezeichnung der Familiensprache im moselfränkischen Teil, der an
Luxemburg grenzt und nach dem Hauptort Thionville/Diedenhofen als Diedenhofe-
ner Land bezeichnet wird, scheint weniger von einem Sprachbewußtsein als von kon¬
kreten sprachlichen Erfahrungen geprägt zu sein. Bei Grenzgängern ist das der Ar¬
beitsplatz und der Einkaufsort. Demzufolge benennen lothringische Grenzgänger aus
dem Diedenhofener Land mit Arbeitsplatz im Großherzogtum ihre Muttersprache als
Luxemburgisch und diejenigen, die im Saarland arbeiten, eher als Deutsch oder Platt.
Letztere gaben sogar in einigen Fällen an, kein Luxemburgisch zu verstehen. Die zu
beobachtende Bezeichnungsvielfalt für die germanophonen Dialekte in Lothringen
ist charakteristisch für staatlich wenig abgesicherte Sprachvarietäten, denen es dazu
an einer Standardisierung mangelt.11 12
Hinsichtlich des familiären Sprachgebrauchs wurde zuerst allgemein nach der Fami¬
liensprache gefragt, dann nach der Sprache, die man mit den Kindern benutzt, und
zuletzt nach der Sprache, die man mit den Eltern spricht. Die Hälfte der Dialektspre¬
cher aus Lothringen redet danach mit ihren Kindern nur französisch, auch wenn sie
sich sprachpolitisch für die Erhaltung der Dialekte ausspricht. Nur zwei Befragte ga¬
ben Deutsch als Erstsprache an, sieben weitere sprechen Französisch und Deutsch
mit ihren Kindern. Mit den Eltern spricht über die Hälfte vorwiegend Dialekt, und
das in einer Generation, die in der eigenen Kindheit sowohl in der Schule wie in der
Familie überwiegend in Französisch sozialisiert wurde. In den frankophonen Regio¬
nen Belgisch-Luxemburgs und Lothringens sowie in Luxemburg, im Saarland und in
Rheinland-Pfalz wird in der Familie durchweg die Landessprache beziehungsweise
deren dialektale Variante gesprochen. Saarländische Wohnpendler in Lothringen,
eine im Vergleich zu den Arbeitspendlern junge Erscheinung, integrieren teilweise
schon das Französische in die Familienunterhaltung, zumindest wenn die Kinder
französische Vorschulen und Schulen besuchen und somit die französische Sprache
nach Hause mitbringen. In Luxemburg sowie in den deutschen Grenzregionen wird
in wenigen Fällen Französisch als Zweitsprache in der Familie gepflegt.
Was den Sprachgebrauch im Wohnort betrifft, wurde nach dem Sprachverhalten in
der Metzgerei, im Supermarkt, im Gasthaus und im Rathaus gefragt. Der öffentliche
11 Anders Bufe (wie Anm. 9) S. 101, Anm. 15. Auch Stroh (wie Anm. 7) S. 103-105 notiert
mehrere Bezeichnungen für die germanophonen Dialekte im lothringischen Kohlebecken,
vor allem Deutsch und nur einmal Francique.
12 Vgl. die Bezeichnungsvielfalt für das Hunsrückische in Südbrasilien nach Ciro Damke,
Sprachgebrauch und Sprachkontakt in der deutschen Sprachinsel in Südbrasilien (Europäi¬
sche Hochschulschriften: Reihe 21, Linguistik Bd. 190), Frankfurt am Main und andere
1997, S. 47.
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