den. In diesem Bereich weist Polen große und lange Traditionen auf. Gerade hier im
Grenzland Polens und der Tschechoslowakei wurde Mitte der 20er Jahre unseres
Jahrhunderts das erste Trans grenznaturschutzgeb iet in Europa gegründet. Der Pol-
nisch-Deutsche-Niederoder-Park soll zur Fortsetzung dieser Tradition beitragen.
Schützenswert ist auch die auf dem Foto 3 dargestellte Oderheide.
Um die Richtigkeit der zweiten These zu bestätigen, muß man auf das historische
Phänomen aufmerksam machen, das Polen in den letzten Jahren erlebt hat. Im Ver¬
lauf von ungefähr 1300 Tagen haben sich alle an Polen grenzenden Länder geändert,
und ihre Zahl ist von drei auf sieben gewachsen. Im Westen grenzt jetzt Polen nicht
mehr an die DDR, sondern an das vereinigte Deutschland. Dieses Land mit einer Flä¬
che von 356.000 km2 und mit zirka 80 Millionen Einwohnern steht aufgrund seines
Wirtschaftspotentials an erster Stelle in Europa und an dritter in der Welt. Mit
Deutschland haben wir gute Nachbarkontakte. Auch der Verlauf der gemeinsamen
Grenze wurde endgültig akzeptiert. Wesentlich ist auch die Tatsache, daß Polen im
Westen an die Europäische Union, den größten Block integrierter Länder in der Welt
grenzt. Dank dieser Situation wird für Polen eine historische Chance geschaffen, sich
an die Integrationsprozesse in Europa anzuschließen. Es muß dabei betont werden,
daß das keine neue, sondern nur eine qualitativ unterschiedliche Erscheinung ist, weil
Polen seit tausend Jahren an allen in Europa vorkommenden Prozessen teilgenom¬
men hat. Die Zugehörigkeit zum westeuropäischen Kulturkreis wurde in Polen nie in
Frage gestellt. Integrationsprozesse weisen in der heutigen Welt einen objektiven
Charakter auf, was sich aus Bedürfnissen und Bedingungen heutiger Wirtschaftsent¬
wicklung ergibt. Die Möglichkeit, Polen an die Europäische Union anzuschließen,
ruft bei der polnischen Bevölkerung verschiedene Gefühle von Begeisterung bis
Angst hervor. Polen wird zweifellos große Kosten tragen, um sich den Anforderun¬
gen der Europäischen Union anzupassen. Es muß auch einerseits die eigene Wirt¬
schaft geschützt werden, andererseits soll die Konkurrenz besser entwickelter Länder
beachtet werden. Einzelne polnische Parteien nehmen zu dieser Frage verschieden
Stellung.
Europäische Integrationsprozesse müssen aber trotz verschiedener Streitfragen als
unvermeindlich angesehen werden. Das Hauptproblem bildet die Art und Weise und
das Tempo, in dem sich Polen der Europäischen Union anschließen wird.
In Westeuropa spielte die Entstehung der Transgrenzregionen eine wesentliche Rolle
bei der internationalen Integration. Sie sollten alle Schwierigkeiten, denen die Tren¬
nungsfunktion der Grenze zugrunde lag (was vor allem für Grenzgebiete wesentlich
war) zu überwinden helfen. Die Transgrenzzusammenarbeit war dort ohne irgend¬
welche Vorschriften als spontane Lokalinitiative, manchmal sogar als gentleman
agreement vorhanden (Regio Basiliensis 1981). Erst im Jahre 1980 wurde durch den
Europarat die Rahmenkonvention über Transgrenzzusammenarbeit ausgegeben.
Die Erfahrungen westeuropäischer Länder im Bereich der Trans grenzzusammenar-
beit können bei der Entstehung dieser Prozesse an der polnischen Grenze - vor allem
an der westlichen Grenze, die “unser Tor in die Europäische Union” genannt wird -
behilflich sein.
Das polnisch-deutsche Grenzland kann als ein wunderbares “Laboratorium” für For¬
schung und Einschätzung der Integrationsprozesse Polens mit der Europäischen Uni¬
on gelten. Man muß sich dessen bewußt sein, daß westeuropäische Erfahrungen auf¬
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