Auf dem Lateinischen als ihrer Kultsprache hat die mittelalterliche katholische
Kirche immer bestanden. Für die gottesdienstliche Liturgie gab es keine Abstri¬
che - über eine tschechisch-südslawische Ausnahme müßte eigens geredet wer¬
den* 7 8 und nur für die Predigt war der Gebrauch der jeweiligen Volkssprache
statthaft, wohl aber kaum durchgängig üblich. Immerhin gab es hinreichende
Elastizität, auch wenn der Grundsatz beibehalten wurde: Dies gilt zum Beispiel
für die Hinzuziehung von Dolmetschern bei der Predigt - ein Bernhard von
Clairvaux verfügte über mehrere, jeweils dem betreffenden Sprachraum ange¬
messene interpretes', sie sind sogar namentlich bekannt. Elastisch verfuhr man¬
cher selbst bei der Beichtpraxis, wenn beispielsweise Bischöfe im Land ihrer
Neuberufung sich von Dolmetschern helfen ließen.8 Das Beichtgeheimnis blieb
dabei gewahrt, denn der interpres galt nach kanonischer Rechtsauffassung als
Instrument; in heutigen zwischenstaatlichen Verhandlungen ist es übrigens
ebenso.
Solche und ähnliche Details dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die
Kirche strikt an ihrem Latein festhielt, auch die Heilige Schrift sollte nicht (von
jedermann) übersetzt werden, weshalb beispielsweise im 14. Jahrhundert kursie¬
rende volkssprachliche Bibelübersetzungen aus Furcht vor häretischen Gedan¬
ken, die sich bewußt oder unbewußt in die Übersetzung einschleichen könnten,
unterdrückt wurden. Kaiser Karl IV. verpflichtete sich 1369 ausdrücklich zur
Unterstützung solcher Maßnahmen.9 Schwer zu durchschauen sind die betref¬
fenden Sprachprobleme hinter kirchlichen Abgrenzungen, beispielsweise hinter
Klostermauem. Zwar weiß man längst von rein deutschen Konventen im tsche¬
chischsprachigen Böhmen, von rein deutschsprachigen Konventen im Prußen-
land, im Weichseldelta, im französischsprachigen Westen usw. Selbstverständ¬
lich sind allenthalben auch gegenteilige sprachliche Ausrichtungen von Klöstern
belegbar. Die entsprechende Palette ist jedenfalls sehr vielfarbig und läßt eine
Fülle sprachenpolitischer Intentionen erkennen, kaum jedoch zielbewußte,
großräumig und breit angelegte Sprachenpolitik. Solche ist eher bei einem der
großen Reformorden des 12. und 13. Jahrhunderts zu belegen. Der zentrali¬
stisch ausgerichtete Zisterzienserorden, dessen Äbte zur jährlichen Sitzung des
' Die vielerörterte Thematik (zuletzt etwa: Dolezel, Heidrun: „Die Gründung des Prager
Slavenklosters“, in: Seibt, F. (Hrsg.): Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, München
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1978, S. 112-114; Wörster, Peter: „Monasterium sancti Hieronymi Slavorum ordinis
sancti Benedicti“, in: Patze, H. (Hrsg.): Kaiser Karl IV. (1316-1378). Forschungen über
Kaiser und Reich, Göttingen 1978, S. 721-732) ist jüngst einer sehr kritischen Prüfung
unterzogen worden von Rothe, Hans: „Das Slavenkloster in der Prager Neustadt bis zum
Jahre 1419“, in: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas 40 (1992), S. 1-26 und S.
161-177.
8 Beispiele bei Richter, Michael: Sprache und Gesellschaft im Mittelalter. Untersuchungen
zur mündlichen Kommunikation in England von der Mitte des 11. bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts, Stuttgart 1979 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 18).
9 Regesta Imperii VIII, 1 Nr. 7287 (17. Juni 1369).
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