verwandt, um den unterworfenen Völkern nicht nur sein Joch, sondern auch
seine Sprache friedlich aufzuerlegen; es fehlt auch nicht an Dolmetschen. Dies
ist wahr; aber durch wie viele und große Kriege, mit welch großen Men¬
schenopfern, mit wie viel Blutvergießen ist dies erreicht worden?“3
Augustin spricht das Problem der Sprachunterschiede deutlich an, unterstreicht
die Notwendigkeit sprachlicher Kommunikation und bietet für unseren Zusam¬
menhang zugleich einen wertvollen Beleg für Sprachenpolitik: Rom habe sei¬
nen unterworfenen Völkern die eigene Sprache aufgezwungen, möglichst auf
friedliche Weise, tatsächlich aber eher gewaltsam; die Verpflichtung zur lateini¬
schen Sprache folgte der militärischen Unterwerfung unmittelbar. Sie sollte das
Eroberte festigen, war demnach Mittel zum Zweck, und wohl nur vorüberge¬
hend stellten die neuen Herren eine überquellende Menge an Dolmetschern, die
als Instrumente zwischen Siegern und Besiegten fungierten, bis letztere hinrei¬
chend das Lateinische beherrschten. Aus dem zitierten Kontext läßt sich schlie¬
ßen, daß dann erst Gedankenaustausch und allgemeine Kommunikation, dann
aber auch gesellschaftliche Annäherung (ad consociandos homines) möglich
waren. Von einer Tilgung fremder Sprachen klingt in Augustins Darstellung
nichts an: jedoch Latein als Staats- und Verwaltungssprache, daneben - zwar
abgestuft - durchaus anerkannte Lebensrechte der diversae linguae. Von ein¬
deutiger römischer Sprachenpolitik wird man gleichwohl reden müssen, sowohl
im Hinblick auf den Plural Sprachen als auch hinsichtlich des betont politischen
Charakters und Ranges der Maßnahmen.
Nur mit einem knappen Seitenblick soll die Singularform Sprachpolitik ge¬
streift werden. Sie liegt vor, wenn etwa der Frankenkönig Chilperich (560/561-
584), der theologisch und literarisch recht ambitioniert war, dem lateinischen
Alphabet vier neue Buchstaben anfügen wollte, um lautlichen Bedürfnissen von
sogenannten Germanischsprechem entgegenzukommen. Hier handelte es sich
um Bestrebungen innerhalb einer Sprache, ganz gewiß aber mit politischem
Nachdruck, also Sprachpolitik, die Gregor von Tours auch unverhüllt erkennen
läßt: Chilperich „fügte auch unserem Alphabet einige Buchstaben hinzu, näm¬
lich (ß (Omega), wie es die Griechen haben, ae, the, wi, wofür die Schriftzei¬
chen folgende sind: ... und (Chilperich) sandte Schreiben in alle Städte seines
Reiches, daß die Knaben so unterrichtet und die alten Bücher mit Bimsstein ra¬
diert und umgeschrieben werden sollten.“4
Als Sprachpolitik wird man auch Karls des Großen Bemühungen um eine Rei¬
nigung der Sprache, gerade des Lateins, ansprechen müssen, die mit einer gro߬
angelegten Schriftreform, welche zur karolingischen Minuskel führte, gekop¬
pelt wurden. Von weiteren Beispielen für innersprachliche Reformbemühungen
3 Augustinus: De civitate Dei 19,7; die Übersetzung nach: Augustinus: Der Gottesstaat,
hrsg. von Karl Völker, Jena 1923 (Die Herdflamme 4), S. 147 f.
4 Gregor von Tours: Historiae Francorum V, 44 (ed. Krusch, S. 253 f.)
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