Integration abweichender Sprach- und Kulturgruppen in das Staatsgefüge. Min¬
derheiten werden vor die Alternative gestellt, entweder ihre Unterschiedlichkeit
zu leugnen und sich zu assimilieren, oder zum Feind der ,Nation4 (und des
Staates) definiert zu werden. Die Probleme der Kurden in der Türkei oder der
(slawophonen) Mazedonier in Griechenland sind signifikant für dieses Problem
in Kategorien ethnischer Homogenität definierter Nationalstaaten. Schon die
Gründung privater Vereine zur Pflege der Volkskultur der Minderheiten wird
hier leicht als (strafbare) Gründung einer separatistischen Vereinigung4 einge¬
stuft und entsprechend verfolgt, denn bereits die Vereinigung unter der Prä¬
misse der Verschiedenheit von der herrschenden Mehrheit stellt einen Anschlag
auf die auf der nationalen Einheit4 basierende Staatsräson dar (zur Türkei siehe
Rumpf 1993, 474 ff., zu Griechenland Filos 1994, 78 ff.). Von der Gründung
politischer Vereinigungen oder gar Parteien, die die Forderung nach politischer
oder auch nur kultureller Autonomie für die Minderheit auf ihre Fahnen schrei¬
ben, sei hier gar nicht groß die Rede, denn derartige Versuche stellen in der
Perspektive national definierter Einheitsstaaten definitionsgemäß einen
(staatsfeindlichen) Akt des Hochverrates dar und werden mit der gesammelten
Härte des politischen Strafrechts geahndet (vgl. nur als besonders drastisches
Beispiel die Türkei, siehe Rumpf 1993, 475 f.).
Politisch sind derartige Vorgehensweisen auf längere Sicht kontraproduktiv,
und auch rechtlich sind sie mehr als problematisch, sind sie doch eindeutig
nicht von der Schrankenklausel der EMRK gedeckt, nämlich dem Erfordernis,
die Beschränkung der Vereinigungsfreiheit müsse „necessary in a democratic
society“ sein (siehe dazu Hillgruber/Jestaedt 1993, 51 f.; Richter 1994, 457).
Die allgemeinen Grundsätze, die über nahezu alle europäischen Verfassungen
hinweg nachweisbar sind, decken insoweit zwar erhebliche strafrechtliche Ein¬
schränkungen der Vereinigungsfreiheit, so z.B. den Auschluß jeglicher Vereini¬
gung, die ihre Ziele mit Gewalt zu verfolgen sucht, doch kennt sie zugleich
einen Mindestkem für den nationalen Gesetzgeber eigentlich unverfügbarer
Positionen, und dazu gehört die strafrechtliche Verfolgung einer minderheiten¬
spezifischen Vereinigung, nur weil sie im Widerspruch zur Ideologie nationaler
Einheit steht (Richter 1994, 463 ff., 481 ff.).
Als legitim erscheint deshalb einzig die strafrechtliche Verfolgung von Organi¬
sationen, die ihre (separatistischen) Ziele mit Gewalt verfolgen. Doch erfaßt
dies zugegebenermaßen nur einen Teil des Problems. Gerade im Falle spezifi¬
scher Minderheitenparteien sind zahlreiche europäische Staaten von erhebli¬
chem Mißtrauen geprägt, selbst wenn sich dies meist nicht in brutaler Unter¬
drückung und polizeilicher Verfolgung äußert. Die politischen Bedenken sind
im Ansatz auch durchaus nachvollziehbar. Minderheitenparteien fragmentieren
die politische Willensbildung, führen im Extremfall zu Phänomenen starrer
,Versäulung4 des politischen Systems, die das Geschäft der politischen Kom¬
promißbildung erschweren bis verunmöglichen können. Minderheitenparteien
tragen insoweit den Keim der Desintegration des herrschenden politischen Sy¬
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