türkisches Schulsystem, das nur in türkischer Sprache erfolgt und nicht zu wei¬
terführenden Abschlüssen nach griechischem Schulrecht führt, schließt diese
sowieso schon durch historische Antipathien belastete Bevölkerungsgruppe na¬
hezu völlig aus der griechischen Gesellschaft aus (vgl. Filos 1994, 74 ff.). Hö¬
here Bildung, gar universitäre Abschlüsse, sind für deren Angehörige praktisch
nur in der Türkei zu erwerben, was dann aber wiederum zum Ausschluss nicht
nur von allen griechischen Staatspositionen, sondern auch von allen sonstigen
höheren Positionen in Griechenland führt. Doch damit noch nicht genug, das
griechische Staatsangehörigkeitsrecht deckt zusätzlich noch die Aberkennung
der griechischen Staatsbürgerschaft gegenüber allen Minderheitsangehörigen,
die sich längere Zeit im Ausland aufhalten - und damit faktisch gegenüber allen
Studenten aus der türkischen Minderheit (Filos 1994, 77 f.). Den Effekt wird
man wohl als gewollt ansehen müssen: die Herausbildung einer eigenen intel¬
lektuellen Führungsschicht ist der Minderheit unter derartigen Verhältnissen
praktisch unmöglich.
Um zusammenzufassen: Schule und Erziehung erweisen sich bei näherem Hin¬
sehen als die Zentralfragen jeder Sprachen- und Minderheitenpolitik. Dement¬
sprechend tiefgreifend ist der Dissens zwischen den Staaten Europas in dieser
Frage. Zur Verdeutlichung sei noch einmal auf die Formulierungsunterschiede
zwischen dem Konventionsentwurf von 1991 und der dann verabschiedeten
Rahmenkonvention von 1994 hingewiesen. Art.9 des Entwurfs der Venedig-
Kommission lautete noch: „Whenever the conditions of Art.8 are fulfilled [also
im einzelnen: whenever a minority reaches a substantial percentage of the popu¬
lation of a region or of the total population], in State schools, obligatory
schooling shall include, for pupils belonging to the minority, study of their
mother tongue. As far as possible, all or part of the schooling shall be given in
the mother tongue of pupils belonging to the minority...“ Art. 14 der Rahmen¬
konvention läßt davon in seinen vielfältigen Klauseln des ,wenn‘ und ,aber‘
nicht mehr viel übrig: „In areas inhabitated by persons belonging to national
minorities traditionally or in substantial numbers, if there is sufficient demand,
the Parties shall endeavour to ensure, as far as possible and within the frame¬
work of their education systems, that persons belonging to those minorities have
adequate opportunities for being taught the minority language or for receiving
instruction in this language.“ (Hervorhebungen durch den Autor).
V. Politische Partizipation
Integration der Minderheit in das politische Gefüge des für sie zuständigen
Territorialstaates erfordert Anerkennung der Minderheit als einer von der kul¬
turell dominanten ,Staatsnation4 unterschiedenen Volksgruppe. Die ,nation une
et indivisible4, die auf der Fiktion der Einheit von Staatsvolk und Staatsgebiet
aufbaut und das Staatsvolk gleichsetzt mit der in Kategorien einer herrschenden
Kultur definierten »Nation4, ist schon vom Ansatz her unfähig zur bewußten
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