chenregelungen schreiben manchmal, wie in Ungarn nach dem neuen Minder¬
heitengesetz, inzwischen ganz generell ein Recht der Angehörigen bestimmter
anerkannter Minderheiten auf Gebrauch ihrer Sprache im Kontakt mit den Be¬
hörden fest (Nolte 1993, 515 f.). Meist wird dieses Recht auf Gebrauch der
Minderheitensprache gegenüber Behörden aber territorial eingegrenzt, auf Ge¬
biete mit einer erheblichen Konzentration der Minderheitsbevölkerung (Oellers-
Frahm 1994, 386, 396 ff.). Lokale Bevölkerungsanteile der Minderheit von
mindestens zehn, fünfzehn oder zwanzig Prozent sind dann die Voraussetzung
des Gebrauchs der Minderheitensprache im amtlichen Verkehr mit den lokalen
staatlichen Behörden.
Als illegitim wird man diese Beschränkung kaum bezeichnen können. Die Zu¬
lassung von Minderheitensprachen als Amtssprachen erfordert einen erheblichen
administrativen Aufwand, der die territoriale Eingrenzung rechtfertigt (siehe
dazu Oellers-Frahm 1994, 385 f., 391 ff.). Die Verwaltung muß mit Personal
versehen werden, das der Minderheitensprache mächtig ist. Zumindest in Fällen
gravierender linguistischer Unterschiede zwischen Mehrheitssprache und Min¬
derheitensprache (man denke etwa an den Extremfall Kastilisch und Baskisch,
oder auch nur Italienisch und Deutsch bzw. Slowenisch) werden die Verwal¬
tungsvorgänge, die Angehörige der Minderheit betreffen, für das allgemeine
Verwaltungspersonal sprachlich unzugänglich. Es bedarf aufwendiger Überset¬
zungsdienste, um die Akten auch für andere Verwaltungszweige und hierar¬
chisch übergeordnete Behörden noch zugänglich zu halten. Originalausfertigung
der Verwaltungsakte in der ersten Amtsprache unter Beifügung einer Überset¬
zung in die Minderheitensprache ist insoweit zunächst wohl die gängige Lösung
(Oellers-Frahm 1994, 393).
Spätestens im Rahmen der Gewährung von Territorialautonomie an große und
relativ kompakt siedelnde Volksgruppen wird die Minderheitensprache aber zu
einer Art genuiner (zweiter) Amtssprache. Ein Teil auch der innerbehördlichen
Vorgänge wird in der Minderheitensprache abgewickelt, was zusätzlichen Über¬
setzungsaufwand erfordert. Es entsteht ein Druck, auch für die Bediensteten der
Verwaltung im autonomen Gebiet Zweisprachigkeit zur Voraussetzung der
Amtsausübung zu erheben (man denke an das Beispiel Südtirol). In ganz be¬
wußt multinationalen Staaten föderaler Konstruktion bemüht man sich daher
um eine Reduktion von Komplexität über ein strikt verstandenes Territoriali¬
tätsprinzip (zu den daraus folgenden Problemen vgl. Oellers-Frahm 1994, 396
ff.). Jede staatliche Einheit hat nur eine Amtssprache, nämlich die der lokal
dominanten Bevölkerung; wenn die Einheit ihrerseits mehrsprachig ist, wie im
Fall mancher Schweizer Kantone, entscheiden Bezirke oder Gemeinden über
die Amtssprache. Auf der zentralen Ebene hat dies ein bewußtes Nebeneinander
der Sprachen zur Folge, wie in der Schweizer Bundesverwaltung. Auf lokaler
Ebene dagegen werden die Angehörigen der nicht-majoritären Bevölkerungs¬
gruppen unter Assimilationsdruck gesetzt, besteht also seinerseits kein Minder¬
47